Magazin
Mit wachem politischen Instinkt
Im Gedenken an die Schauspielerin und Regisseurin Irmgard Lange
von Martin Linzer
Erschienen in: Theater der Zeit: Mirco Kreibich: Brüchiger Zeitspieler (06/2014)
Die Regisseurin Irmgard Lange ist am 8. Mai in Berlin nach kurzer schwerer Krankheit gestorben. Sie hatte die letzten Jahre regelmäßig am Theater in Baden-Baden gearbeitet, „Klassiker“ von Sophokles und Lessing bis Brecht und Bernhard erfolgreich inszeniert. Sie habe „unser Haus mit ihrer unerschöpflichen Energie, ihrer Leidenschaft und ihrer Kunst geprägt“, erklärte Intendantin Nicola May in ihrem Nachruf. Die am 30. November 1941 in Posen geborene Irmgard Lange begann nach ihrem Studium in Weimar als Schauspielerin, war in Görlitz und Leipzig engagiert, bevor Schauspieldirektor Hartwig Albiro in Karl-Marx-Stadt (Chemnitz) ihr Regietalent entdeckte. Sie inszenierte ab 1978 hier und ab 1988 in Dresden viel Gegenwartsdramatik mit wachem politischen Instinkt (Hacks, Braun, aber auch Rosow und Sastre), verhalf Werken der russischen Avantgarde zum Erfolg (Platonow, Bulgakow, Schwarz); Raditschkows „Tanz auf dem Birn- baum“ war 1980 eine Entdeckung. Kluge Intendanten haben sie gefördert, Gerhard Meyer in Karl-Marx-Stadt, Gerhard Wolfram in Dresden; ihre Erfahrungen gab sie als Dozentin der Leipziger Theaterhochschule an den Nachwuchs weiter. Sie inszenierte wie Thomas Langhoff auch erst Tschechows „Drei Schwestern“ (noch in Karl-Marx-Stadt – manchmal brauche sie „was mit Innereien“, verriet sie mir im Kantinengespräch), dann Brauns „Übergangsgesellschaft“ 1988 in Dresden, eine Aufführung, die republikweit Furore machte, weil sie...