Cowboy im Café
von Siegmar Schröder
Erschienen in: Wir haben es einfach gemacht! – Reisen in internationale Theaterwelten (07/2024)
In der Zeit der großen Reformen in Italien wandelte sich auch das Straßenbild. Man sah nicht-normtypische Menschen in der Öffentlichkeit. Auf dem Weg zur Arbeit beim Teatro Nucleo gingen wir morgens in eine Bar, um den üblichen Cappuccino mit einem Cornetto zu uns zu nehmen. Meist kam um diese Uhrzeit um kurz vor sieben Uhr auch ein Cowboy in die Bar. Mit zwei Pistolen bewaffnet und mit einer Weste und Cowboyhut ausgestattet ging er leicht breitbeinig direkt zum Tresen, wo er sein Glas Milch bekam. Kurze Zeit später, an einer Straßenkreuzung, wurde der Verkehr von einem Polizisten gelenkt. Doch bei genauerem Hinsehen erkannte ich, dass es kein echter Polizist war. Doch er machte seine Sache sehr gut, und die Verkehrsteilnehmer*innen und wir als Fußgänger befolgten seine Anweisungen. Wir gingen dann weiter zum morgendlichen Training in das Theater, das in einem leer stehenden Trakt einer ehemaligen großen psychiatrischen Anstalt untergebracht war. Das Teatro Nucleo hatte einige Jahre zuvor diese Räumlichkeiten gefunden. Ein kleiner Teil des Gebäudes auf der anderen Seite eines Innenhofs war noch von sehr ‚schweren Fällen‘ bewohnt, mit denen wir manchmal interessante Begegnungen hatten.
Bei unserer Stimmarbeit, bei der wir versuchten, die ganze Breite der menschlichen Stimme auszuloten und...