Ausland
Begehren und Handeln
Der kleine Frieden als konkrete Utopie – die Theaterplattform Experimenta Sur in Kolumbien geht in die vierte Runde
von Hugo Velarde
Erschienen in: Theater der Zeit: Bruder Karamasow – Frank Castorf über Russland (02/2016)
Kolumbien soll internationaler und damit selbstbewusster im Umgang mit seiner kulturellen Identität werden – so lautet die künstlerische Maxime der Experimenta Sur IV, einer von der Siemens Stiftung, dem Mapa Teatro und dem Goethe-Institut in Bogotá geförderten und organisierten Theaterplattform für künstlerischen Austausch in Lateinamerika. Das Universum des eigenen Kontextes müsse stärker mit anderen Erfahrungshorizonten verknüpft und damit neu erkundet werden. Dennoch trug auch dieses Treffen von Theatermachern den unverwechselbaren kolumbianischen Stempel. Vom Kleinen her in die Welt. Der Zwerg, der auf den Schultern des Riesen sitzt, sieht weiter als der Riese selbst.
Gewiss, im kolumbianischen Liliput steckt andererseits auch der immer hilfloser und dadurch aggressiver gewordene Leviathan, der längst nicht mehr autoritärabsolutistisch vom nationalstaatlichen Thron herunter befrieden kann, sondern global agierend immer größere Krisen auslöst, deren zyklische Virulenz die Innenperspektive besser zu begreifen ermöglicht und damit einen neuen Bezug zur eigenen, weiterhin durch Gewalt geprägten und damit zerrissenen Identität herstellen kann. Je schlimmer, desto besser. Da, wo Gefahr ist, wächst auch das Rettende. Friedrich Hölderlins Erbe lebt in den lateinamerikanischen Tropen fort.
Während die globalisierte Welt ökonomisch, politisch und kulturell immer tiefer in den kolumbianischen Kontext hereinbricht, kann man von dort aus der Welt etwas erzählen, das inzwischen immer...