Schlaglichter auf den anderen Brecht
Erschienen in: Recherchen 123: Brecht lesen (06/2016)
1. Un-ernst, grau
„So ist das Andere, allein als solches gefaßt, nicht das Andere von Etwas, sondern das Andere an ihm selbst, d. i. das andere seiner selbst. […] Das Andere für sich ist das Andere an ihm selbst, hiermit das Andere seiner selbst, so das Andere des Andern, – also das in sich schlechthin Ungleiche, sich Negierende, das sich Verändernde […]“1 (Hegel)
Für Brechts Werk gilt seine schöne Wendung über die Architekturen: „Die halbzerfallenen Bauwerke / Haben wieder das Aussehen von noch nicht vollendeten / Groß geplanten […]“.2
Sein Text ist ein Erkundungsfeld, voll von Halbzerfallenem, zugleich das Manövergelände politischer Ideen, deren größeren Teil freilich das Schicksal der Vergänglichkeit ereilt hat, rasch, wie es dem Jahrhundert entspricht. Aber das Messer seines Schreibens weist scharf wie wenig andere auf die zerreißenden Probleme, denen jene Ideen antworteten und die nicht gelöst sind, weil der Sozialismus scheiterte. Vor den Fragen sterben die Antworten. Brechts Fragen leben noch. Deshalb – nicht nur, weil es vielfach einfach grandiose Kunst ist – stöbert man hoffnungsfroh immer neu auf dem Versuchsfeld, ohne das Entsetzen über Ideen, die in Todeskälte und Katastrophe führten, zu verleugnen. Der andere Brecht wäre der, von dem noch immer die...