Magazin
Büchner – unversöhnbar
von Frank M. Raddatz
Erschienen in: Theater der Zeit: Christoph Hein und Ingo Schulze: Rasender Stillstand – Fragen an die deutsche Wirklichkeit (10/2013)
Im Oktober feiert Georg Büchner seinen 200. Geburtstag. Ehrte beispielsweise die Akademie der Künste in Berlin den im selben Jahr auf die Welt gekommenen Richard Wagner mit einer Vielzahl von Veranstaltungen, wird Büchner dagegen vergleichsweise stiefmütterlich behandelt. Dieses Faktum gilt allerdings nicht für den Buchmarkt, wo Jan-Christoph Hauschild und Hermann Kurzke termingerecht mit Biografien aufwarten. Ein Unterfangen, das bei der spärlichen Quellenlage viel interpretatorisches Geschick der Autoren fordert. Beide Interpreten widersprechen einander zutiefst. Während bereits Hauschilds Titel „Georg Büchner. Verschwörung für die Gleichheit“ anzeigt, dass es darum geht, das Denken und Dichten des von den hessischen Behörden steckbrieflich Gesuchten im Projekt Geschichte zu lokalisieren, bemüht sich Genieästhetiker Kurzke mit „Georg Büchner. Geschichte eines Genies“ um das genaue Gegenteil. Seine Anstrengung widmet sich dem Versuch, ihn aus politischen Zusammenhängen zu entfernen, um ihn in christlichen Kontexten neu einzubetten – was bei dem Verfasser der revolutionären Propagandaschrift „Der Hessische Landbote“ mit der eingängigen Parole „Friede den Hütten! Krieg den Palästen!“ oder des Revolutionsdramas „Dantons Tod“ offensichtlich kein einfaches Unterfangen ist. So präsentiert Hauschild einen Büchner, der „die gerechte Verteilung der gesellschaftlichen Produktion anvisiert“ und dessen geschichtliche Existenz in „einer Atempause zwischen zwei Gewaltanstrengungen“ – gemeint sind die Französische Revolution und die Deutsche...