Paradigmenwechsel in der Provinz
Perspektiven für die Theaterlandschaft
von Manfred Jahnke
Erschienen in: Recherchen 146: Theater in der Provinz – Künstlerische Vielfalt und kulturelle Teilhabe als Programm (05/2019)
Perspektiven für das Theater in der Provinz? Das ist doch Striese mit seiner Schmiere? Ein Vagabundenleben, von Ort zu Ort ziehend, sich bei den Honoratioren beliebt machen müssend, kurz: die Bretter, die Pfosten, die sind aufgeschlagen – das Spiel, das sich ganz auf die Reaktionen des Publikums einlässt, kann beginnen. Beste Unterhaltung. Da konnte es schon sein, dass mit einer Tragödie begonnen wurde und man schnell zu einer Posse umschaltete, wenn das Desinteresse des Publikums zu lautstark sich formulierte. 19. Jahrhundert? Was aber ist mit Bruscon im Wirtshaus Schwarzer Hirsch zu Utzbach, der vom „Rad der Geschichte“ erzählen möchte? Im 20. Jahrhundert? Das Leiden der Künstler*innen an der Provinz präformiert ein wichtiges Topos in der Literatur, nur verständlich auf der Folie des Verstehens und Nicht-Verstehens oder von Enge und Weltläufigkeit.
Aber so, wie längst schon „Provinz“ sich in „ländliche Räume“ transformierte, so verlieren Klischees mit der Zeit ihre Bedeutung, zumal „Provinz“ eher einen biedermeierlichen Mentalitätszustand der Enge und Miefigkeit beschreibt, durchaus ein Phänomen, das nicht nur im Ruralen verortet werden kann, sondern dort sogar eher weniger. Das Problem ist ein anderes: Die dünne Besiedelung erschwert kulturelle Produktion ungemein. Dabei konkurrieren Landesbühnen, Tourneetheater, freie Theatergruppen und Amateurtheater mit Unterhaltung und Kunst,...