14.3 Bewertungsfreiheit gegenüber sich selbst
Erschienen in: Improvisationstheater – Die Grundlagen (10/2018)
Einige Impro-Spieler stellen sich ein Bein, indem sie sich permanent selbst überwachen und dabei ihre Handlungen oder Ideen in gut oder schlecht einteilen. Natürlich brauchen wir als Schauspieler ein gewisses Maß an Selbstkontrolle, so wie ein Radfahrer die Kontrolle über sich selbst haben sollte. Aber genau wie diesen die permanente bewusste Überwachung und Bewertung jeder einzelnen Bewegung komplett lähmen würde, hindert uns Improvisierer die übermäßige Selbstbeobachtung.
Der böse Zensor in unserem Kopf ist dabei natürlich die Vernunft; denn Spiel ist nicht per se vernünftig. Es dient erst einmal nur sich selbst. Wenn ich nun jede meiner Handlungen auf der Bühne mit irgendwelchen Regeln der Vernunft abgleiche, wird mein Spiel steif und unnatürlich. Es gibt in unserem Gehirn eine Region, die für rationale Urteile zuständig ist – der präfrontale Cortex. Dieser in der Evolution spät entstandene Teil reagiert langsam und ruhig. Daher ist er für unsere Impro-Zwecke nicht besonders tauglich. Um frisch improvisieren zu können, müssen wir gewissermaßen den tierischen Teil unseres Hirns trainieren, positiv ins Spiel einzutauchen und emotional zu reagieren.
Das gilt übrigens auch für verschiedene „Impro-Regeln“84. Manche Impro-Lehrer bombardieren ihre Schüler vor einer Szene mit Regeln und Anweisungen, so dass diese gar keine Bewegungsfreiheit mehr haben,...