Heimat in einem Lied
von Mazda Adli
Erschienen in: Zeitgenoss*in Gorki – Zwischenrufe (03/2023)
Medizin für die Seele ist das Gorki. Mal ein süßer Sirup. Mal eine bittere Pille. Oder auch mal eine Psychotherapiesitzung, die zum Kern der Fragen vordringt, die ich als Arzt und Psychiater ans Leben habe. Identität, Zugehörigkeit, Vergänglichkeit, Akzeptanz – das sind so Themen, die schwer wiegen können. Und die einem aber nach einem Abend im Gorki zugänglicher werden: Psychotherapieeffekte im Zuschauerraum. Im Gorki lerne ich, wie schönstes Theater entsteht. Nämlich dort, wo ganz diverse Welten aufeinander treffen. Genauer gesagt: Es sind die Welten der Menschen, die dort Theater machen. Ich muss jetzt ein Geständnis ablegen: Ich habe endlich verstanden, was das heißt: postmigrantisch. Das war eines dieser Worte, die irgendwann aufkamen, um deren Bedeutungsklärung ich mich aber nicht rechtzeitig gekümmert hatte. Plötzlich stand es in allen Texten und Artikeln: postmigrantisch. Und dann lässt es sich nicht mehr so richtig locker fragen, was das Wort eigentlich genau meint (es gibt ein paar Wörter dieser Art in meinem Kosmos, die ich hier aber lieber nicht verrate).
Durchs Gorki habe ich die Bedeutung erfahren, nein, vielmehr: erlebt. Nämlich, dass die kulturellen Unterschiede der Menschen nicht länger überwunden werden müssen, sondern dass genau diese Unterschiede heilig sind. Sie lassen aus sich heraus etwas...