Godard Maler
Schönheit als Beute, Farbe als Verfremdung – alles ist Material (2009)
von Mark Lammert
Erschienen in: Rot Gelb Blau – Texte zum Theater (10/2019)
Vorspann
Seit fünfzig Jahren operiert Jean-Luc Godard mit Abbildungen von Gemälden. „Dem Bild ist alles erlaubt, das Beste und das Schlechteste“,1 das ist auch ein Malerproblem. Äußerungen Godards kommen selten ohne die Formulierung seiner Haltung zur Malerei aus. Und niemals stellt er die Frage, was das Kino sei, ohne zu fragen, was die Malerei sei.
Dieser Text umschreibt den Versuch, „Die Chinesin“ von Jean-Luc Godard, gedreht 1967, an der Berliner Volksbühne zu übermalen – ein Unterfangen, das dem Verschwinden der Utopie in den Wörtern und Farben nachzugehen strebte.
Anfang
„Bin ich mit meinen Bildern zu nahe herangegangen, oder bin ich zu weit weg?“2 ist eine zentrale Frage von Jean-Luc Godard.
André Malraux, Schriftsteller, Filmemacher, Kulturminister Frankreichs in der Dekade des Auftritts von Godard als Filmregisseur, beschrieb es so: „Die Geburt des Films als Ausdrucksmittel datiert von dem Augenblick seiner Befreiung aus diesem fest umschlossenen Raum; von dem Augenblick, da der Cutter begann, statt eines photographierten Theaterstücks eine Folge von wechselnden Momenten aneinanderzureihen; als man den Apparat vorrückte (um die Figuren auf der Leinwand zu vergrößern) oder zurücknahm, und die Abhängigkeit vom Theater durch das ‚Bildfeld‘ ersetzte den Raum, der auf der Leinwand erscheint, jenes Bildfeld, das der Schauspieler...