Kolumne
Wir gehen rein
Schön, aber verdammt
von Lina Wölfel
Erschienen in: Theater der Zeit: Neues Musiktheater (10/2025)

In Bielefeld war es eine in Weiß gehüllte Ensemble-Party, in Göttingen machte man daraus eine Vaudeville-Show mit Big-Band-Sounds und Gesangsnummern, in München kaufte man das Tanztheater aus Innsbruck ein, in Frankfurt ersetzte man die übliche kitschig-detailverliebte Opulenz mit einer unheimlich anmutenden Jalousie-Konstruktion, in Osnabrück reduzierte man das Bühnenbild gleich auf einige Lametta-Streifen und sehr viel Schaum, in Cottbus fügte man noch ein paar Zeilen des zeitgenössischen Lyrikers Ocean Voung ein und in Bamberg gab man dem Ganzen einen Hauch Punk mit.
F. Scott Fitzgeralds „Der große Gatsby“ ist eine Paraphrase auf die Illusion des amerikanischen Traums. 1925 erschienen, schimmert zwischen Champagner, Fransenkleidern, Perlen, festgegelten Wasserwellen und Kristallschliffgläsern das Ausmaß moralischer Verkommenheit einer gegen die Leere anfeiernden Gesellschaft durch. Und weil der Roman nicht nur sein einhundertjähriges Jubiläum feiert, sondern eine nicht zu missachtende Anzahl erschreckender Parallelen zu unserer heutigen Zeit aufweist, spielen Stadt- und Staatstheater, Laienspielgruppen und Sommerbühnen den US-amerikanischen Klassiker Land auf Land ab. Selten bin ich – buchstäblich – in so kurzer Zeit so oft hintereinander in ein Stück reingegangen.
Da wäre z. B. Nicolas Jantoschs Version in der Sommerkomödie Erfurt. Ja, richtig gelesen: „Der große Gatsby“ als Komödie. Neben allerlei Klamauk erzeugt der Abend eine interessante Spannung:...