16. Das gemeine Feeling beim Mauerfall
Erschienen in: Eine Puppe packt aus – Dokumentarroman (07/2023)
Mein Ganove ist inzwischen in der Szene bekannt dafür, knifflige Aufgaben rund um den Grenzschmuggel zu bewältigen. Er ist immer noch im Besitz eines gültigen Reisepasses, kann bei Bedarf täglich mit seinem bunt bemalten Lada Kombi nach West-Berlin ein- und viel wichtiger: auch wieder ausreisen.
Jonas fungiert in der Szene als Einkäufer und verhilft den befreundeten Musikern zu heißbegehrter Tontechnik. Zum Glück wird er nie von einem Hilfesuchenden gebeten, ihn durch die Mauer zu schleusen, der Kerl hätte sich vor Angst in die Hosen gemacht. In der Zossener Straße in Kreuzberg gibt es damals eine Kneipe Namens Arcanoa.
Die Metallkünstler der Dead Chickens haben hier ein sehr schräges Gruselkabinett zusammengeschweißt, über den Tresen fließt ein kleiner Bach und an der Decke hängen Grabsteine und Monster aus Wohlstandsschrott. In dieser neu eröffneten Szenekneipe treffen sich viele der ausgereisten Ossis. Sylvana, die Inhaberin des Ladens, ist geschäftstüchtig und lässt sich von Jonas für ihre Ost-Kundschaft kleine Schmankerl ranschaffen. Sie bezahlt ihm die begehrten Waren 1:1 in Westgeld und beide machen ihren Schnitt. Zigarettenstangen der Marken Karo, Club und Juwel 72, Ost-Liköre wie Kali (Kaffee Likör) Kiwi (Kirsch Whisky) Sambalita (Maracuja Likör), Nordhäuser Doppelkorn und Goldkrone erfreuen die Heimatvertriebenen hinter der Mauer.
Genaugenommen...