9.2 Unbekannte Charaktere
Erschienen in: Improvisationstheater – Die Grundlagen (10/2018)
Die meisten Impro-Schauspieler sind auf zirka sechs bis acht Charaktere festgelegt: Je einen positiven und einen negativen Hochoder Tiefstatus. Dazu kommen noch eine Handvoll LieblingsCharaktere und der Rest sind mehr oder weniger überzeichnete Varianten von Klischees: „Der Polizist“, „die Lehrerin“, „die Großmutter“, „der genervte Jugendliche“.
Wir halten an diesen Rollen fest, wenn wir uns in ihnen eingerichtet haben. Wir bekommen positives Feedback, die Szenen lassen sich geschmeidig spielen. Aber wir verpassen etwas, wenn wir auf dieser Stufe stehenbleiben. Das allzu Bequeme ist ein Feind der Kunst. Damit meine ich nicht, dass wir uns andauernd wie wild anstrengen sollen, denn schließlich ist Angestrengtheit hässlich. Aber um auf der Bühne entspannt und interessant zu bleiben, sollten wir uns auf die Suche nach neuen Charakteren begeben. Die beste Quelle dafür sind natürlich Menschen in unserer Umgebung: Wie reden sie? Was tun sie? Wie bewegen sie sich? Wie denken sie? Was kann ich davon aufnehmen in mein Spiel?
Ab und zu fragen wir bei Foxy Freestyle einander in den Proben: „Welche Rolle habe ich eigentlich noch nie gespielt?“ Denn tatsächlich braucht man als Spieler manchmal das Feedback von Mitspielern oder künstlerischen Leitern, um darauf gestoßen zu werden, was man zu vermeiden neigt.