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Kunst: Weltverbesserer
Erschienen in: Theater der Zeit: Christoph Hein und Ingo Schulze: Rasender Stillstand – Fragen an die deutsche Wirklichkeit (10/2013)
Wer glaubt heute noch an eine Weltverbesserungsmaschine? Hand aufs Herz, die wenigsten wollen sich eine solch allumfassende Mechanik vorstellen, mit der man die Welt gestaltet. Das war nicht immer so. Als Bengt Skytte, ein schwedischer Edelmann und Gelehrter, in der Mitte des 17. Jahrhunderts für den Königshof in Stockholm kostbare Archivalien aus Bibliotheken und bedeutenden Kunstsammlungen Europas zusammentrug, hatte er eine große Konstruktion vor Augen, die er gemeinsam mit der wissenschaftlichen, geistlichen und politischen Elite verwirklichen wollte. In Schweden sollte er seine Weltverbesserungsmaschine nicht bauen, aber Friedrich Wilhelm, Markgraf von Brandenburg, holte ihn nach Berlin. Dort sollte irgendwo in der Mark ein „modernes Athen“ entstehen, wo unter dem Schutz des Kurfürsten angesehene Wissenschaftler und Künstler Entdeckungen zum „Heile und Fortschritt des Menschengeschlechts“ machen und in der Welt verbreiten sollten. Geplant war dieses universelle Forschungszentrum für Tangermünde an der Elbe. Hier wollte der Visionär und wegweisende Netzwerker Skytte seine Arbeit an der Weltverbesserungsmaschine beginnen. Doch seine Bemühungen scheiterten.
Trotzdem wird seine Idee nicht vergessen. Sie taucht später in geheimen Bauplänen auf. Auch die preußische Akademie der Wissenschaften und Künste lässt sich auf sie zurückzuführen. Der Architekt und Designforscher Friedrich von Borries hat die jahrhundertealte Utopie von der Weltverbesserungsmaschine jetzt wieder ausgegraben...