Schauspieler und Gangster
Erschienen in: Recherchen 123: Brecht lesen (06/2016)
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Der aufhaltsame Aufstieg des Arturo Ui in der Einrichtung des Berliner Ensembles war eine außerordentliche Aufführung, sie bleibt ein Monument der neueren deutschen Theatergeschichte. Seit der Premiere 1959 blieb sie bis weit in die 1970er Jahre hinein auf dem Spielplan und wurde 532 Mal gespielt. Zu ihrer singulären Präsenz in beiden Teilen Deutschlands kam eine breite internationale Rezeption. Es handelte sich beim Berliner Ensemble um das Brecht-Theater schlechthin, das freilich schon wenige Jahre nach dem Tod des Übervaters auf der Schwelle zu seiner eigenen Museumswerdung stand. „Einar Schleef hat mit Tragelehn am Berliner Ensemble ‚Katzgaben‘, ‚Frühlingserwachen‘ und ‚Fräulein Julie‘ inszeniert. Das war die einzige Zeit nach Brecht, in der das Berliner Ensemble lebendig war. Bei Wekwerth wurde es ein geschlossener Raum, in dem Kirchengeschichte stattfand.“1 Nur Ruth Berghaus versuchte in den wenigen Jahren ihrer Intendanz, „aus dem Museum wieder ein Theater zu machen“, wie Heiner Müller bissig notierte.2
Es stellt sich die Frage, ob man in dieser Inszenierung neben ihren unbestreitbaren Qualitäten, die sich noch heute sogar in der Aufzeichnung übertragen, auch schon die Spuren des Verfalls erkennen kann, den Anfang vom Ende einer Theaterästhetik, die verarbeitet, aber auch überwunden werden musste, um das Feld für das...