Ist Schönheit ein Gefühl?
Erschienen in: Recherchen 71: per.SPICE! – Wirklichkeit und Relativität des Ästhetischen (11/2009)
Assoziationen: Wissenschaft Dossier: Semantik des Schönen
Was ist Schönheit? Diese Frage treibt die Philosophie seit der Antike um. Beinahe ebenso alt ist die Idee, Schönheit habe etwas mit Gefühl zu tun. Das heißt allerdings nicht zwangsläufig, dass Schönheit ein Gefühl ist. Begibt man sich auf die Suche nach Literatur zum Gefühl der Schönheit, so landet man – wie so häufig in der Philosophie – schließlich bei Kant, der in seiner vorkritischen Zeit eine kleine Schrift BEOBACHTUNGEN ÜBER DAS GEFÜHL DES SCHÖNEN UND ERHABENEN verfasst hat.1 Die Idee, Schönheit als Gefühl zu fassen, hat Kant auch später in der KRITIK DER URTEILSKRAFT beibehalten – wenngleich mit etwas anderer Akzentsetzung. Ich möchte diesen Ansatz aus zwei Gründen zum Ausgangspunkt meiner Überlegungen machen: Erstens gilt Kant bis heute vielen als Meilenstein der Ästhetik und einige seiner Gedanken sind nach wie vor sehr einflussreich. Zweitens lassen sich an seinem Ansatz exemplarisch gewisse Schwierigkeiten eines gefühlsbasierten Schönheitsbegriffs diskutieren. Mein Ziel ist, zu zeigen, dass es gute Gründe dafür gibt, Schönheit als Gefühl aufzufassen, allerdings nicht ganz so, wie Kant sich das vorgestellt hatte. Den Anfang sollen einige Überlegungen zur Gefühlstheorie allgemein und zur Einordnung von Kants Auffassung des Gefühls des Schönen vor diesem Hintergrund machen. Es folgt die Diskus...