Kolumne
Zettelwirtschaft
Erschienen in: Theater der Zeit: Jammer und Glorie – Der Regisseur Krzysztof Warlikowski (12/2014)
Assoziationen: Debatte
Heute, 19. 10. 2014, in einem schmalen Taschenbuch (Jakob Haringer: Das Schnarchen Gottes und andere Gedichte, herausgegeben von Jürgen Serke bei Hanser im Jahr 1979) entdeckte Widmung von Herbert Achternbusch:
Lieber Sepp
Heute finde ich einen Zettel, auf den ich anlässlich einer Hitchcock-Retrospektive in Wien 1977 notiert habe:
Die Figuren wölben sich zur optimalen Anschaubarkeit, was sie deformiert. Sie werden Montageteile einer Arabeske, Abstraktionen eines der Arbeit entwöhnten Gehirns, das sich fragt: Wie vertreiben wir die Zeit. Und das Produkt des Zeitvertreibs muss so perfekt sein, dass es diejenigen fasziniert, denen die Zeit vertrieben wird. Vielleicht auch nur eine Entschuldigung meines unperfekten „Stils“, Art, besser Auffassung. Servus Herbert 8.7.79
Was für eine Anschauung des Trennungsstrichs zwischen Kunst und Unterhaltung!
1979 war sich dieser ebenfalls Filme machende Dichter und Maler noch nicht sicher, ob er nicht einer eifersüchtig neidvollen Anwandlung aufgesessen ist beim Anschauen der Hitchcock-Filme. Heute, mit 76, nach einem Œuvre aus etwa 30 Filmen, unzähligen Bildern und Plastiken, mehr als 20 Theaterstücken und mehreren Dutzend Romanen und Prosatexten, ist er sich seiner damals noch zögerlich formulierten Erkenntnis so gewiss, dass er vollständig aufgehört hat zu produzieren. Er widmet sich nur noch dem Zeitvertreib. Aber ohne andere damit zu belästigen....