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von Falk Richter
Erschienen in: Zeitgenoss*in Gorki – Zwischenrufe (03/2023)
Die Arbeit am Gorki markiert in meinem Leben als Künstler und Aktivist einen Einschnitt. Inspiriert von der Art, wie dort migrantische Künstler*innen für ihre Anliegen eintraten, wollte ich ein Theater machen für ein selbstbewusstes und selbstkritisches queeres Publikum. Ich kam eher aus der Tradition, Zuschauer*innen mit gesellschaftlichen Missständen zu konfrontieren – aber nicht, Menschen zu bestärken: Es gibt euch, ihr werdet gesehen und repräsentiert, euer Leben und eure Rechte gehören auf die Hauptbühne, ihr seid wichtig! Kurzum, ich wollte mit meinem Stück Small Town Boy queeres Empowerment machen und dabei dennoch mit allen Zuschauer*innen in den Dialog treten.
Insofern war meine erste Gorki-Arbeit Small Town Boy – im Gegensatz zu den Stücken, die ich vorher geschrieben und inszeniert habe – ein neuer Schritt. Eine Entwicklung hin zur Schnittstelle zwischen Theater und Aktivismus. Der Schauspieler Thomas Wodianka hat am Ende des Stücks einen zwanzigminütigen Monolog, in dem er für die rechtliche Gleichstellung homosexueller Menschen in Deutschland in Bezug auf die Ehe eintritt und die Gleichgültigkeit anprangert, mit der die deutsche Öffentlichkeit die aggressive, homophobe Politik Putins hinnahm. In dieser „Wutrede“, wie sie gelabelt wurde, konzentriert sich für mich die künstlerische, aktivistische und persönliche Arbeit, die ich am Gorki machen konnte. Dieser...