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Kunst: Visionäre Partitur
Erschienen in: Theater der Zeit: Song of Smoke – Der Regisseur und Musiker Thom Luz (05/2015)
Freiheit erlebt sie durch Beschränkungen. Je weniger Auswahl man habe, desto mehr Freiheit könne man bei der Wahl empfinden. Eine Beschränkung der Möglichkeiten gebe ihr Kraft. Für alles, was von der Norm abwich, musste die US-amerikanische Konzeptkünstlerin Channa Horwitz in der Familie um Erlaubnis bitten. Aber es gelang ihr, in nur zwei Stunden genehmigter Freizeit auf einem Stoß Millimeterpapier mit einem Bündel Stifte ihre berühmten „Compositions“ aufzuzeichnen. Ihr wurde plötzlich bewusst, erinnerte sie sich Jahrzehnte später in einem Interview, dass sich mit diesen winzigen Kästchen alles notieren ließ. „Es fühlte sich ganz so an, als ob ich eine neue Sprache entdeckt hatte, eine, die von allen Künsten verstanden werden konnte.“
Ihr Leben lang experimentiert sie mit einem System einfachster Regeln und geometrischer Grundformen: Kreis, Quadrat und Rechteck, die sie in endlosen Werkreihen variiert und in andere Darstellungsformen weitertreibt. Erst viel zu spät wird die Zeichenkunst der 1932 in Los Angeles geborenen und mit 80 Jahren verstorbenen Künstlerin von der internationalen Kunstwelt entdeckt und auch zu Ausstellungen in Europa eingeladen. Für viele aktuelle Künstler wie Boris Charmatz und Meg Stuart sind diese „sets of rules“ (Ellen Blumenstein) Ausgangspunkte für das eigene künstlerische Schaffen.
Jetzt widmet sich die Ausstellung Counting In Eight,...