Manifest für eine strategische Autonomie
von Mohammad Abbasi
Erschienen in: Kampnagel Hamburg. 40 Jahre Widerspruch – Workbook zum Jubiläum (07/2024)
Ich bin Mohammad Abbasi, ein Künstler aus Teheran. Seit 2017 bin ich auf Kampnagel aktiv und habe hier Tanzworkshops geleitet, Vorträge gehalten, als Performer in einem Tanzstück mitgewirkt, war Juror bei einem Dance Battle und habe eine Tanzbiennale kuratiert.
Auf die Empfehlung von Melanie Zimmermann habe ich Amelie Deuflhard, die Intendantin und Künstlerische Leiterin von Kampnagel, 2017 zum ersten Mal persönlich getroffen. In den zwei oder drei Stunden, die wir miteinander sprachen, interessierte sie sich sehr dafür, wie wir in Teheran Underground-Veranstaltungen organisieren, und ich versuchte, ihre Neugier zu befriedigen. Ihr Tonfall reproduzierte nicht diesen klassisch weißen europäischen Duktus, in dem so ein elendes »Wie kann ich dir helfen?« mitschwingt. Vielmehr versuchte sie, zu lernen, sie wollte unsere Strategien verstehen. Sie stellte sehr praktische Fragen. Mir wurde klar, dass ich ihr vertrauen konnte und dass ich einige Ansichten mit ihr teilte. Ich habe ihr damals von meinem Interesse an Prozessen der Infiltration und des Verrats erzählt, vom Verrat an Geldgeber*innen als einzig mögliche Strategie, um autonom zu bleiben. Ich wusste zu dem Zeitpunkt noch nicht, dass dieser Grundsatz bereits Amelies Werdegang geprägt hatte, insbesondere als sie 2013 »illegalen« syrischen Geflüchteten auf Kampnagel Unterschlupf gewährte und die Staatsanwaltschaft deshalb gegen sie...