Verrücktes Blut II: Verknüpfung von Theaterästhetik und Pädagogik
von Julius Heinicke
Erschienen in: Recherchen 148: Sorge um das Offene – Verhandlungen von Vielfalt im und mit Theater (05/2019)
Assoziationen: Maxim Gorki Theater
Die Lehrerin in Verrücktes Blut lässt ihre Schüler mit türkischem Migrationshintergrund Schillers Räuber vortragen. Nicht nur ihre Aussprache sollen die Jugendlichen mithilfe der Rezitation schulen, sondern auch den freien Geist der Aufklärung und die moralische Tugendhaftigkeit deutscher Kultur im Nachspielen einzelner Szenen erleben und erfahren. Das Stück rekurriert auf die Wirkungsmacht des Kunsttheaters sowohl hinsichtlich der ästhetischen Form als auch in Bezug auf dessen pädagogische Funktion, die in der deutschen Klassik als ästhetische Erziehung Einzug in die Theater gehalten hat.
Aus diesem Grunde ist es nicht verwunderlich, dass Schillers Schriften auch heute noch eine wichtige Referenz der Theaterpädagogik darstellen, so konstatiert Ulrike Hentschel:
Bereits Friedrich Schiller, der in seinen Briefen zur ästhetischen Erziehung des Menschen (1795) die Bedeutung von Kunst bzw. künstlerischer Tätigkeit für den Bildungsprozess erstmalig diskutiert, weist jede Form der Indienstnahme zurück, denn „[…] nichts streitet mehr mit dem Begriff der Schönheit, als dem Gemüt eine bestimmte Tendenz zu geben“.86 Seitdem hat der von Schiller begründete Topos der Ästhetischen Bildung zahlreiche Umformulierungen erfahren. Mit diesen Umdeutungen geht eine erstaunliche Kontinuität der vielfältigen Versprechungen des Ästhetischen im (kunst-)pädagogischen Kontext einher.87
Mit den Szenenübungen aus Schillers Räuber werden in Verrücktes Blut diese eigentlich intentionslosen erzieherischen Weisen der deutschen...