Theater der Zeit

Die Entmythisierung der Welt

Versuch über William Forsythe

von Johannes Odenthal

Erschienen in: Recherchen 27: Tanz Körper Politik – Texte zur zeitgenössischen Tanzgeschichte (10/2012)

Als William Forsythe 1983 mit GÄNGE – EIN STÜCK ÜBER BALLETT seine reflektorische Analyse des klassischen Tanzes begann, war das nur der Anfang einer aufklärerischen Recherche, die weiter fragte: Was sind die Strukturen des Theaters, der Kunst, der Kommunikation überhaupt, was sind die Strukturen des Denkens? Mit dem Erforschen der Illusionsmaschine »Bühnenraum« demontierte Forsythe systematisch die Ordnung eines psychologischen Theaters.

THE LOSS OF SMALL DETAIL, die jüngste Produktion des Frankfurter Balletts, erweist sich als eine Art Resümee; Forsythe versichert sich seines eigenen Standpunkts im Chaos einer poststrukturalen, postmodernen Diskussion um Ästhetik und Wirklichkeit. Grund genug, auf das vielleicht erfolgreichste Werk zeitgenössischer Choreografie einzugehen.

Wenn man das Werk von William Forsythe erfassen möchte, reicht es bei weitem nicht mehr aus, die Tanzgeschichte zu befragen. Die intensive Auseinandersetzung mit dem Neoklassizismus Georges Balanchines in den sechziger Jahren sowie die Anwendung dieses Materials auf die Raum- und Bewegungslehre Rudolf von Labans, wie sie der junge Forsythe Anfang der siebziger Jahre vollzog, sind nur ungenügende Hinweise für die Erforschung Forsythes neuer Ballettkunst.

Einen Schritt weiter führt das theoretische Rüstzeug, das dem Besucher in den hermetisch angelegten Programmheften, in schwierig zu kombinierenden Textpassagen der Tänzer, vor allem aber in der...

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