9. Kapitel
Erschienen in: Die Rampe oder An der Lethe wachsen keine Bäume (06/2013)
In einer Nacht beginnt er zu sprechen. Anna liegt neben ihm. Ihr Atem geht leise. Er weiß nicht, ob sie ihm zuhört. Langsam erzählt er von seiner Angst, erst stockend, dann schneller. Einen Angsttraum wird er nie los. Stundenlang liegt er auf dem Seegrund; die letzte Luft presst er aus den Lungen und stirbt. Sobald er sich einem See nähert, fürchtet er, auf seinen dunklen, kalten und morastigen Grund zu sinken, wo die langen Seerosenwurzeln sich um seine Füße schlingen würden. Und je heftiger er sich wehrte, umso enger verknoteten sie sich. Todesknoten. Seit diesem Traum nennt er Seerosen Todesrosen. Der Tod ist sein ständiger Begleiter. Er geht einen Schritt hinter ihm, bleibt stehen, wenn er stehenbleibt, und manchmal sagt er zu ihm, fürchte dich nicht, alle müssen sterben.
Jetzt fürchtet er die Blutmühle. Ihre Flügel drehen sich langsam. Woher der Wind auch weht, sie drehen sich ständig. Die schweren Mahlsteine knirschen, sobald sie Knochen und Muskulatur zermahlen. Blut- und Knochenwasser tränkt das Erdreich. »Du bist der Todesmüller, kein Don Quichotte, denn deine Mühle ist das Unge-
heuer, die Wirklichkeit, der ständig neue Flügel wachsen«, sagt eine Stimme.
Anna bewegt sich, legt ihren Arm um seinen Hals und flüstert: »Hab...