Vanille in Tomatensauce? Ziehen Sie bitte nicht die Nase kraus oder lassen ein verächtliches Wort fallen. Möglicherweise haben Sie schon viele Tomatensuppen verspeist – jedoch in Unkenntnis darüber, dass dieser Vanillegeschmack beigemischt war. Hauptsache, Sie haben das Aroma wie eine „warme Decke empfunden, die einen berührt“. Als solche beschreibt eine Theologin die Vanille. Längst sind Kinderspielzeuge mit Vanillepuder bestäubt und Süßspeisen im Supermarkt mit Vanille als zusätzlichem Aromastoff versetzt wie auch Klimaanlagen in Hotels – auf dass sich der Gast nicht einsam fühle. Die Lebensmittelindustrie versprüht beruhigenden Optimismus und lullt uns ein mit ihrem kostengünstig synthetisierten Muttermilcharoma, als ob sie Friedrich Rückerts Liebesgedicht „Du bist der Duft, der meine Seele speiset“ verinnerlicht hätte.
Anders gesagt: Unsere Gesellschaft ist von einer schleichenden Vanillisierung ergriffen, die – als unschöne Konsequenz – im Verlust der Geruchs- und Geschmackswahrnehmung endet. Schaudern könnte einem darob. Dazu lässt es die Inszenierung von Olivier Bachmann aber nicht kommen, weil sie die möglichen Risiken und Nebenwirkungen einer steigenden Geschmacksnivellierung vor allem lustvoll und witzig darstellt.
Die im Theater Tuchlaube Aarau uraufgeführte Produktion steht exemplarisch für das, was sich das Theater Marie auf die Fahne geschrieben hat: „Diskursives Theater über große Themen mit kleiner Crew“. Seit Herbst 2012 liegen...