Theater der Zeit

The Redundancy

Ein Produktionsbericht

von Sarah Pogoda

Erschienen in: Recherchen 154: Klassengesellschaft reloaded und das Ende der menschlichen Gattung – Fragen an Heiner Müller (01/2021)

Ein Produktionsbericht1

Ratlosigkeit 1.0

Anlässlich seiner Inszenierung des Produktionsstückes Der Lohndrücker am Deutschen Theater Berlin gestand Heiner Müller 1988 ein, dass es eigentlich »nicht das aktuellste Stück im Moment« sei.2 Mehr als 30 Jahre später scheinen die Aufbaujahre des Sozialismus und die Konflikte in der industriellen Produktion der frühen DDR ferner denn je, könnten doch die Produktionsbedingungen im neoliberalen Kapitalismus kaum unterschiedlicher sein. Und schon 1985 hatte Frank Hörnigk ohnehin behauptet, Müllers Produktionsstücke seien überhaupt nur ›richtig‹ zu verstehen, wenn man sie in die historische Situation der DDR einbette.3

Umso größer ist nun meine Irritation, dass ich bei der Lektüre des Lohndrücker meinte, dort die Arbeitsbedingungen und Konflikte, denen ich als Angestellte einer britischen Universität ausgesetzt bin, präzise erfasst zu finden. Wie kann es sein, dass sich die neoliberale Universität als sozialistisches Produktionsstück zeigt? Sollte, um ein weiteres Mal in den Zungen Müllers zu sprechen, auf einmal ›die Wirklichkeit wieder das Material dafür bereithalten, dass Stücke wie Der Lohndrücker wieder geschrieben, zumindest doch inszeniert werden können’?4 Oder handelte es sich etwa nur um ein Missverständnis meinerseits – und wenn ja, wo lag das Missverständnis: in meiner Lektüre des Lohndrücker oder in meiner Wahrnehmung meiner Arbeit?

Aber...

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