1.2 Freiheit und Bildung des Spielers
von Dan Richter
Erschienen in: Improvisationstheater – Die Grundlagen (10/2018)
Wenn die Zuschauer es genießen, dem fließend-synchronen Entstehen von Text, Schauspiel und Inszenierung zuzusehen, so gilt dasselbe für die Spieler selbst, nur eben auf der Seite des Schaffens.
Ein Schriftsteller kann während des Schreibens oder danach Wörter austauschen, Sätze oder ganze Absätze streichen oder am Ende gar alles wegwerfen und von vorne anfangen. Wie anders ist da doch das Improvisieren auf der Bühne! Alles gilt in diesem Augenblick. Korrekturen sind nicht mehr möglich. Natürlich freuen wir uns, wenn wir eine Story auf die Bühne bringen, die die Zuschauer bewegt, die uns vielleicht selbst mitreißt und uns nachdenken lässt. Aber was das Improtheater vom geschriebenen Drama, vom Drehbuch oder der Kurzgeschichte unterscheidet, ist der Fokus auf den Flow, das Entstehen der Story. Als Improvisierer lieben wir das Werkeln oft mehr als das Werk, den Prozess mehr als das Produkt.
So sehr ich meine Arbeit als Schriftsteller mag – sie bleibt eine einsame Tätigkeit. Die überraschenden Wendungen einer Geschichte sind Produkte meiner Phantasie. Im Improtheater hingegen muss ich praktisch permanent mit den Angeboten meiner Mitspieler umgehen. Muss? Nein, ich darf! Was für Außenstehende wie totaler Stress erscheint („Wie kann dir denn dazu andauernd etwas einfallen, wenn der andere etwas sagt, was du...