Theater der Zeit

Gespräch

Was macht das Theater, Carena Schlewitt?

von Dominique Spirgi und Carena Schlewitt

Erschienen in: Theater der Zeit: Theater Thikwa Berlin: Ungezähmtes Spiel (06/2018)

Assoziationen: Dossier: Was macht das Theater...?

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Carena Schlewitt, als Sie 2008 als Leiterin der Kaserne Basel antraten, lag das Haus am Boden. Was hatte Sie daran gereizt, trotzdem nach Basel zu kommen?
Ich bin sehr offen und direkt an die Aufgabe herangegangen, ohne vorher im Netz bis in die Tiefen zu recherchieren, wie man es vielleicht heute machen würde. Für mich waren das interdisziplinäre und freie Produktionsund Gastspielhaus mit Theater, Tanz und Musik sowie die Kulturregion reizvoll. Und es war meine erste Leitungstätigkeit.

Und diese Lust ist Ihnen nicht vergangen, als Sie sich dem Schuldenberg gegenübersahen?
Ich hatte tatsächlich nicht nur einen Neustart, sondern auch eine schwierige Geschichte zu bewältigen. Da habe ich mich schon manchmal gefragt, ob ich mich auf die Aufgabe eingelassen hätte, wenn ich das alles gewusst hätte. Es waren zu Beginn zweieinhalb harte Jahre, bis das Haus 2010 eine erste Subventionserhöhung entgegennehmen konnte. Und auch dann war noch ein weiter Weg zu gehen.

Auch um die freie Szene stand es nicht sonderlich gut.
Ich wurde anfangs oft darauf angesprochen, dass es in Basel ja fast keine freie Szene gibt. Aber unser Dramaturg Tobias Brenk und ich haben sehr schnell verschiedene Einzelfiguren, Künstler verschiedener Genres getroffen und sie nach ihren Ideen und Bedürfnissen befragt. Wir haben Formate der Begegnung, der kleinen Skizzen geschaffen. Wir haben auch sehr offen signalisiert, dass wir Basler Künstler wie Marcel Schwald, Boris Nikitin, CapriConnection und andere einladen wollen, in der Kaserne Basel zu arbeiten. Auch das Nachwuchsfestival Treibstoff erwies sich immer wieder als guter Generator für die Szene.

Die Kaserne Basel wurde ursprünglich von Künstlern der freien Szene als Veranstaltungsort erobert, jetzt mussten Sie aktiv dafür sorgen, dass dieses Haus von der Szene weiter belebt wird. Offenbart sich da eine Art Paradigmenwechsel?
Ob es ein Paradigmenwechsel ist, weiß ich nicht. Ich sehe das als wechselseitige Bewegung – Aufbau der lokalen freien Szene und Austausch mit der überregionalen und internationalen Szene. Uns ist es gemeinsam gelungen, eine Basler Szene aufzubauen, die auch national und international wahrgenommen wird. Nur kleine lokale Geschichten hätten es nicht gebracht.

Aber es reichte nicht, nur Gastgeberin und Produktionshelferin zu sein?
Ich erachte es als Aufgabe, Anregungen zu geben, herauszufinden, wo diese Gruppen ihre Stärken haben, welche Kooperationen möglich sein könnten, und die nötigen Grundlagen zu schaffen.

Sie biegen inhaltlich nichts zurecht?
Nein, in Bezug auf die Projekte nicht. Wir stecken nicht in den Produktionen drin, wir beraten, sagen aber schon, wo uns etwas nicht schlüssig erscheint. Manche begrüßen das sehr und fragen aktiv, wann wir kommen, andere reagieren eher nervös darauf. Ich habe noch nie eine Produktion abgesagt, (denkt nach) nein, habe ich wirklich noch nie – höchstens Vorstellungen aus Krankheitsgründen.

Das Stadttheater gräbt die freie Szene ab. Für Thom Luz zum Beispiel war die Kaserne ein wichtiger Ort für seine Entwicklung vom Musiker zum Theatermacher, jetzt ist er Hausregisseur am Theater Basel und Ihnen damit quasi weggenommen worden. Stört Sie das?
Nein. Thom Luz macht und kann ja noch immer beides, wie die beiden letzten Produktionen „Leonce und Lena“ am Theater Basel und die freie, von uns mitproduzierte Arbeit „Unusual Weather Phenomena Project“ zeigten. Schwieriger ist es, die Kulturpolitik davon zu überzeugen, dass es dieses freie Theater gibt, dass diese Projektarbeit eine Bereicherung ist und genügend gefördert werden muss.

Was kann die noch wirklich freie freie Szene, was die Stadttheater nicht können?
Die freie Szene setzt im besten Fall als Erste Innovationen im Tanz und im Theater, die dann von anderen, auch vom Stadttheater, aufgenommen und weiterentwickelt werden. Die freien Theater sind flexibel und beweglich. Zudem gibt es die zunehmende internationale Vernetzung der Freien, die es ihnen erlaubt, andere Ästhetiken aufzunehmen. Probleme gibt es, wenn die freien Gruppen finanziell und produktionstechnisch an Grenzen stoßen.

Was wird in Dresden auf Sie zukommen?
Hellerau – Europäisches Zentrum der Künste ist als städtische Institution strukturell in einigen Punkten anders aufgestellt als die Institutionen, für die ich bisher gearbeitet habe. Auch das bedeutet also wieder Neuland. Aber auf bestimmten Erfahrungen kann ich heute natürlich aufbauen.

Wie steht es um die freie Szene dort?
Verglichen mit der Schweiz, aber auch mit anderen Städten in Deutschland, gibt es in Dresden strukturell und finanziell noch Entwicklungsbedarf für die freie Szene. Es ist noch einiges an Lobbyarbeit nötig. Es gibt eine freie Tanzszene, die sehr aktiv und gut vernetzt ist, die aber viel zu gering gefördert wird. In Basel steht die freie Theater- und Tanzszene jetzt vergleichsweise an einem guten Punkt. //

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