Obwohl Hegel mit seinen Überlegungen zur Ästhetik oftmals als „Vordenker einer modernen, autonomen Kunst“, als „Vorvater der marxistischen Auffassung der Kunst als Motor gesellschaftlichen Fortschritts bzw. der neomarxistischen Bestimmung der Kunst als Gesellschaftskritik“133 betitelt wird, ist deren Rezeption im (post)kolonialen Kontext relativ dünn. Dies erstaunt, da die Auseinandersetzung mit Hegels Phänomenologie von Fanon bis Mbembe in vielen Diskursen prominent ist und seine Vorlesungen über die Ästhetik auf dieser fußen. Hegel hat die Vorlesungen jedoch selbst nicht mehr veröffentlicht. Nach seinem Tod fasste Heinrich Gustav Hotho seine eigenen Mitschriften und die seiner Kommilitonen zu einer systematischen Ästhetik zusammen, legte dabei jedoch auch selbst Hand an. In den letzten 20 Jahren werden diese Eingriffe in Hegels in Berlin gehaltenen Vorlesungen vermehrt reflektiert.
Hotho hatte in erster Linie die Herausgabe eines Gesamtwerks zum Ziel, dem Widersprüche und kritische Passagen in den Originalvorlesungen zum Opfer fielen. Sein Ansinnen, so argumentiert Gethmann-Siefert, „war zwar ohne Zweifel ‚gut gemeint‘, provoziert aber jenes lakonische Diktum Brechts: ‚Das Gegenteil von gut ist gut gemeint‘“134:
Das zeigt sich besonders deutlich an der Aufbesserung der kritischen Punkte, nämlich der These vom Vergangenheitscharakter der Kunst und der den Klassizismusvorwurf provozierenden Konzentration auf die schöne Kunst. Bereits Hegels Schüler...