Fünf Theaterabende, die man nicht alle Tage erlebt: Der Intendant des Apollo-Theaters in Siegen, Magnus Reitschuster, hatte aus der pandemiebedingt verordneten Leere seines Spielortes eine Tugend gemacht – er streamte nicht, sondern rief nach den ersten Lockerungen Anfang Juni ein Festival der Abstände aus, mit Gastspielen des Deutschen Theaters Berlin und des Berliner Ensembles sowie Kammerkonzerten der Südwestfälischen Philharmonie. Eröffnet wurde die Reihe durch den in Siegen geborenen Navid Kermani gemeinsam mit dem Politologen Claus Leggewie unter dem Zeitthema „Ausnahmezustand“. Die von Kermani ausgewählte Themenpalette war so ernst wie breit: „Berührungen“, „Geburt und Tod“, „Liebe und Hass“, „Gewalt und Flucht“, „Schönheit und Verzückung“, dennoch blieb genügend Raum für spontane Geistesblitze, Humor und Abschweifungen. Kermani las Abschnitte aus seinen Büchern, Leggewie kommentierte und führte die Themen weiter.
Das C-Wort, das derzeit jedes Gespräch dominiert und Theater, wie man es kannte, verhindert, wurde weitgehend vermieden. Ganz vorsichtig bestiegen die beiden am ersten Abend die Bühne vor dem eisernen Vorhang und schauten in einen spärlich besetzten, halb erleuchteten Zuschauerraum, in dem Berührungen durch Abstandsgebote fast unmöglich waren. Kermani las eine Geschichte aus „Du sollst“, in der ein Liebender seiner Geliebten das Versprechen abnimmt, niemals von Liebe zu sprechen. Leggewie verwies auf Gemälde von...