Magazin
Der Vorwärtsverteidiger
Zum Tod des Schauspielers Guntram Brattia
Erschienen in: Theater der Zeit: System startet neu – Über den Einbruch der Performance in die Oper (11/2014)
Es war, als würde man einem alten Freund wiederbegegnen, den man eine Zeit lang aus den Augen verloren hatte. Als Guntram Brattia 2011 nach bald zwanzigjähriger Wanderschaft (die ihn u. a. ans Deutsche Theater Berlin, ans Schauspiel Frankfurt und das Schauspielhaus Düsseldorf geführt hatte) ins Ensemble des Münchner Residenztheater zurückkehrte, wo seine Karriere begonnen hatte, war die Wiedersehensfreude groß. Denn wer hätte je seinen Romeo in Leander Haußmanns legendärer (hier ist dieses arg strapazierte Adjektiv tatsächlich einmal angebracht) Shakespeare-Inszenierung (1993) vergessen können? Wie Brattia darin mit morscher Leiter ebenso unbeholfen wie ungestüm den berühmtesten Balkon der Welt zu erklimmen suchte, wie er später in nackter Unschuld mit Anne-Marie Bubkes Julia über die Bühne tollte: Es war schlichtweg hin- und herzzerreißend, gingen doch hier zwei spielende Kinder in den Tod, die gerade erst begonnen hatten, sich und die Welt im anderen zu entdecken. Doch was ist schon das Sterben auf der Bühne gegen den Tod im wahren Leben? Über das Ende von Romeo und Julia lässt sich wortreich schwärmen. Dass aber Guntram Brattia jetzt mit nur 47 Jahren bei einem Motorradunfall ums Leben kam, macht sprachlos.
Ich bin Guntram Brattia nie persönlich begegnet. Und doch kommt es mir so vor, als...