Theater der Zeit

Bericht

Spektakelindustrie oder Aufbegehren?

Der Karneval in Trinidad und Tobago: Hochoffizieller Wettbewerb und wilde Feier der Massen mit der Wut über vergangene Sklaverei und aktuelle Zumutungen

von Tom Mustroph

Erschienen in: Theater der Zeit: Nachhaltigkeit (03/2025)

Assoziationen: Südamerika

Foto: dobi - Own work, CC BY-SA 4.0, https://commons.wikimedia.org/w/index.php?curid=39259682

Körper, komplett bedeckt mit roter, grüner oder blauer Farbe, ziehen mit Anbruch des Montagmorgens durch die Straßen der Altstadt von Port of Spain, der Hauptstadt von Trinidad und Tobago. Dicke Schichten von Lehm, zuweilen auch Schokolade, sieht man bei anderen auf der Haut. Weil sich im Laufe der mehrstündigen Prozessionen Leiber an Leibern reiben, vermischen sich die diversen Farbaufträge. Wer Kleidungsstücke trägt – Kenner:innen raten zu alten Klamotten –, ist ebenfalls getränkt von Farbkombinationen aller Art. „Das ist wie eine lebende Leinwand“, begeistert sich die Regisseurin, Kuratorin, Kulturwissenschaftlerin und Karnevalaktivistin Attillah Springer. „Du läufst durch die Straßen. Deine Freunde oder auch ganz Fremde, die zufällig deinen Weg kreuzen, bewerfen dich mit Farbe oder Lehm. Deine Kleidung, dein ganzer äußerer Körper, verändert sich von einem Moment auf den anderen völlig“, erzählt sie.

Jouvert nennt sich die wilde Ouvertüre des Karnevals, abgeleitet von „jour ouvert“. Als ein „Loslassen von allem“, als „wildes, farbenfrohes und moddergetränktes Delirium“, sah der Amerikaner Richard Schechner, Urvater der Performance Studies, in einem 2004 veröffentlichten Essay diesen Teil des Karnevals von Trinidad. (Richard Schechner, Carnival (theory) after Bakhtin, in Carnival, Culture in Action – The Trinidad Experience, hg. von Milla Cozart Riggio, Routledge 2004) Zahlreiche Teilnehmer:innen von Jouvert...

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