Magazin
Leipziger Grande Dame
Zum Tod der großen Schauspielerin Christa Gottschalk
von Enrico Lübbe
Erschienen in: Theater der Zeit: Theater Thikwa Berlin: Ungezähmtes Spiel (06/2018)
Die Nachricht von Christa Gottschalks Tod kam für mich und alle Mitarbeiter des Schauspiels Leipzig sehr überraschend. Noch im März 2018 trafen wir uns vor einer Veranstaltung, bei der sie über ihre persönliche Sicht auf das Theater in der DDR sprach.
Da saß sie, wie immer kerzengerade, ganz wach, perfekt formulierend: Christa Gottschalk, eine groß gewachsene, sehr schlanke, schnell denkende, kluge Frau mit blitzenden Augen, für die die Wörter „Grandezza“ oder „Grande Dame“ erfunden zu sein schienen, saß da und äußerte sich zu ihren ersten Theatererfahrungen nach dem Krieg, ihren Eindrücken in der Wendezeit – und auch, immer noch sehr am Hier und Jetzt interessiert, zu aktuellen Themen wie der MeToo-Debatte und Diskussionen um prekäre Arbeitsverhältnisse und den Begriff des Ensembletheaters. Ihre präzisen Formulierungen und Gedanken brachten den Saal nicht nur oft zum Schmunzeln und Frau Gottschalk viel Respekt entgegen – allen Anwesenden war nach der Veranstaltung klar, diese Frau hatte gelernt, sich auf und jenseits des Theaters durchzusetzen.
Christa Gottschalk hat am Schauspiel Leipzig, am Deutschen Nationaltheater Weimar und am Deutschen Theater Berlin so ziemlich alles gespielt, was man als Schauspielerin in einem Bühnenleben spielen kann: Sie war zehn Jahre lang das Gretchen im ersten Leipziger „Faust“ nach dem...