Feuertaufen in Berlin
von Judith Malina
Erschienen in: Das Theater leben – Der Künstler und der Kampf des Volkes (05/2021)
Ich will Ihnen die Geschichte erzählen von meiner persönlichen Erfahrung und von der Erfahrung des Living Theatre hier in Berlin.
Ich bin 1926 in Kiel geboren. Das war das Jahr, in dem Piscator angefangen hat, an der Volksbühne zu arbeiten. Mein Vater war Rabbiner, meine Mutter aber eine ganz junge Schauspielerin. Und es war ihr Traum, einmal mit Piscator zu arbeiten. Aber sie hatte sich in einen jungen Rabbiner verliebt, und man konnte 1925 nicht die Frau eines Rabbiners sein und auch eine Schauspielerin. Jetzt kann man sich das vielleicht vorstellen, damals aber noch nicht.
Meine Mutter hat das Theater dann aufgegeben, mit der Idee aber, besprochen mit meinem Vater, dass sie eine Tochter haben werden, die stattdessen Schauspielerin sein wird. So bin ich aufgewachsen, mit dieser Idee. Mein Vater, der hier in Berlin Philosophie und in Ungarn das Rabbinat studiert hat, hat vieles sehr früh vorhergesehen. Auch, dass es in dieser so sehr idealisierten Weimarer Zeit mit uns Juden schlecht gehen wird. Und er hat mich und meine Mutter nach Amerika gebracht, als ich zwei Jahre alt war.
Wir wohnten in New York City. Mein Vater begründete eine Synagoge, die deutsch-jüdische Kultusgemeinde in New York, und brachte eine Zeitung...