Unruheherde
Eine anthropologische Konstante | Mögliche Metaphern und Belege
von Lorenz Aggermann
Erschienen in: Recherchen 102: Der offene Mund – Über ein zentrales Phänomen des Pathischen (03/2013)
Eine anthropologische Konstante
XERXES | Schreie nun gegentönend mir! |
CHOR | Oioi Oioi |
XERXES | Mit Jammer ins Haus geh! |
CHOR | Io Io, Persis Land schwer gehbar |
XERXES | Über die Stadt das Getön |
CHOR | das Getön, jaja |
XERXES | Jammert, geht leise |
CHOR | Io Io, Persis Land schwer gehbar |
XERXES | Ie ie, mit dreirudrigen, Ie ie, Schiffen zugrunde gegangen. |
CHOR | Ich begleite dich mit schrill tönenden Klagen.1 |
Oi Oí, Otototoi, Iu Iu, Iuah, Aiaí: scharfe Schreie, schrill tönende Klagen. Mit diesen und ähnlichen Ausdrücken kommt die griechische Tragödie auf uns zu und sorgt für ein gewisses Maß an Unverständnis. Was für ein seltsames Getön. Doch das Druckbild täuscht nicht: Die onomatopoetischen Formeln sollen das markieren, was schlichtweg nicht zu fassen ist und wohl gerade deswegen zum zentralen Element der Tragödie werden konnte, im Text jedoch nicht anders als über Vokalfolgen wie „Oi“, „Iua“, „Ai“ oder „Au“, über Striche (–) oder Auslassungen (…) beschrieben werden kann. Diese ‚Leerstellen‘ geben, egal mit welchen Zeichen oder Lauten man sie füllt, ihren affektiven Gehalt nicht adäquat wieder, sie widersetzen sich einer sprachlichen, sprich syntaktischen wie semantischen Logik und reißen Löcher in den Text, da sich ihr Inhalt...