Ausklang, kollektive Kooperation als ästhetische Form
von Matthias Rothe
Erschienen in: Recherchen 170: Tropen des Kollektiven – Horizonte der Emanzipation im Epischen Theater (11/2024)
Kooperative Arbeit an der Vertextlichung
Im Folgenden verlasse ich die Ordnung des Vergleichs verschiedener epischer Theaterformen zugunsten einer eher chronologischen Darstellung der ästhetischen Neuorientierung der Versuche-Gruppe, wie sie durch die Verhältnisse unmittelbar vor der Machtgewinnung der Nationalsozialisten und im Exil erzwungen wurde. Von Interesse für die Diskussion des Verhältnisses von kooperativer Arbeit und individueller Aneignung, genauer, seines Formwechsels, ist für mich hier vor allem die Frage, wie die künstlerische Kooperation, die bis dahin in den expansiven Formen einer Avantgarde-Ästhetik ihren Ausdruck fand, sich in neuen (Werk) Formen – im dialektischen Sinne – aufgehoben findet und was eine solche Aufhebung für die, vereinfacht gesagt, Utopiekraft künstlerischer Tätigkeit bedeutet. Mit dem Abschied von den expansiven Formen spielt die Konkurrenz der künstlerischen mit der nicht-künstlerischen Arbeit kaum noch eine Rolle.
Ich möchte mit einer etwas naiven Frage beginnen: Warum ist die Autorschaft der Dreigroschenoper eine so komplexe: John Gay, Kurt Weill, Elisabeth Hauptmann, Bertolt Brecht usw., und warum erscheint dagegen etwa jene von Die Rundköpfe und die Spitzköpfe, ein Stück, das in mehreren Fassungen von 1931 bis 1938 geschrieben und 1936 in Kopenhagen aufgeführt wird, äußerst unkompliziert: Brecht.1 Die große Berliner und Frankfurter Ausgabe nennt für die erste Fassung von...