Die Schönheit der Kompliz*innenschaft
von Sibylle Peters
Erschienen in: Kampnagel Hamburg. 40 Jahre Widerspruch – Workbook zum Jubiläum (07/2024)
Wenn ich mit Leuten aus den künstlerischen Büros in der dritten oder vierten Etage des Kampnagel-Bürogebäudes spreche, geht es nur selten um Kunst. Viel öfter geht es um ein Problem oder um eine Chance. Es geht um die Verteidigung einer Position, eines Freiraums, einer Person. Es geht um Geldbeschaffung und um Dokumentenproduktion, manchmal auch um die Verteilung der Last, die sich mit der Bürokratie der Kulturproduktion verbindet. Es geht darum, wie wir Leute aus dem Gefängnis holen, wer wen im Außenministerium kennt, was unbedingt an dieser oder jener Stelle gesagt werden muss, was so nicht stehen bleiben kann oder wo Öffentlichkeit gebraucht wird. Eine*r von uns hat vielleicht einen Dreh gefunden, wie wir Ressourcen der Kunst für ein gemeinsames Anliegen nutzen können. Oft wird rasch telefoniert, weil immer alles ganz schnell gehen muss, keine Zeit, jetzt lange zu erklären, du weißt schon. Das alles riecht nach Korruption und hat meist das Ziel, Macht umzuverteilen.
Das Kampnagel-Team nennt das Kompliz*innenschaft und macht es zum Programm.
Eine meiner Komplizinnen, Gesa Ziemer, hat ein Buch über Kompliz*innennschaft als zeitgenössische Form der Kollektivierung und des gemeinschaftlichen Handelns geschrieben. Im Begriff der Komplizenschaft wird kriminelles Handeln – nämlich Mittäterschaft, also das Ausführen eines gemeinsamen, kriminellen...