3. Postkapitalistisches Theater
von Bernd Stegemann
Erschienen in: Kritik des Theaters (04/2013)
»Ich glaube, dass der ›Postmodernismus‹ bis heute der intellektuelle Handlanger des globalen Neoliberalismus ist, und dies in einem unvergleichbaren Maße.«
David Graeber Frei von Herrschaft164
Große Epochen des Theaters zeichneten sich dadurch aus, dass sie eine Bruchlinie in der Gesellschaft zum Fundament des Theaters machen konnten. Die Antike sah sich dem Problem der menschlichen Hybris in einer Welt voller unerklärlicher Schicksalsschläge ausgesetzt. Die frühe Neuzeit fiel in die Epochenschwelle zweier Weltbilder. Die Aufklärung stellte die sozialen Strategien des Adels gegen die Vertrauens- und Darstellungsprobleme des Bürgertums. Das 19. Jahrhundert sah sich der Gleichzeitigkeit einer prosperierenden Klasse und dem Elend des Proletariats ausgesetzt. Das 20. Jahrhundert schließlich erlebte den Kampf dreier totalitärer Ideologien, von denen in der Spätmoderne allein der Kapitalismus als weltbestimmende Denk- und Handlungsweise überlebt hat. Folgt man der Minimaldefinition des Kapitalismus als einem »amoralischen Prozess unbeschränkter Anhäufung von Kapital durch Mittel, die formell friedlich sind«165 und versteht man unter dem Geist des Kapitalismus eine »Gesamtheit von Glaubenssätzen, die mit der kapitalistischen Ordnung verbunden sind und zur Rechtfertigung dieser Ordnung, zur Legitimation und mithin zur Förderung der damit zusammenhängenden Handlungsweisen und Dispositionen beitragen«,166 so stellen sich seine Widersprüche heute ebenso drastisch wie unsichtbar dar.
Nach dem...