Gelem, Gelem
von Kirsten Haß
Erschienen in: Zeitgenoss*in Gorki – Zwischenrufe (03/2023)
Mein Berliner Büro wird beherrscht vom „Gypsyland Europe“. In unzähligen Videokonferenzen sitze ich vor (oder verschwinde manchmal in) einer bunten Topografie von Augen, rätselhaften Figuren, Rädern, Wortfetzen und Collagen des Roma-Pride. Die Künstlerin Delaine Le Bas hat mir erlaubt, einen Teil ihrer großartigen Bühneninstallation auf Leinwand zu ziehen, die sie gemeinsam mit ihrem inzwischen verstorbenen Mann Damian für Roma Armee geschaffen hatte. Dreifuffzigmaldreimeter Erinnerung an einen meiner eindringlichsten – und lustigsten – Theaterabende der letzten Jahre.
Umwerfend waren die Frechheit, die Eleganz und die Spielfreude, mit der das Ensemble am Gorki die Regie von Yael Ronen nach den Ideen von Sandra und Simonida Selimović umgesetzt hat. Umwerfend auch das Feuerwerk von Feminismus, Verbundenheit und Kampf sowie Traditionen, Witz und Schmerz. Intimität. Und von Stolz, so viel Stolz und Würde. Der Titel Roma Armee gibt vor, worauf es hinausläuft. Auf der Bühne offenbaren sich Charaktere, Kämpfer*innen, die es ernst meinen, mit einer Heimat, die es zu verteidigen oder gar zu erobern gilt: das freie Land, das innerhalb und jenseits nationaler Grenzen besteht. Mit der Freiheit, so und so zu sein: Roma, Sinti, Traveller, queer, hetero, PoC, Weltbürger*in.
Und wenn Lindy Larsson die Roma-Hymne „Gelem Gelem“ anstimmt, steht diese plötzlich für all...