4.6 Akzeptiere die Situation
von Dan Richter
Erschienen in: Improvisationstheater – Die Grundlagen (10/2018)
Nicht nur für Impro-Spieler, überhaupt für jeden, der irgendwann irgendwo auf der Bühne steht, gibt es Situationen, in denen man vor Verzweiflung schreien könnte:
•Ein Scheinwerfer fällt aus.
•Das Publikum besteht zur Hälfte aus Dänen, die dachten, ihr Deutsch sei gut genug, die Show zu verstehen und die sich nun gegenseitig das Gesagte laut dolmetschen.
•Man sagt etwas auf der Bühne, von dem man kurz darauf merkt, dass es als sexuelle Zweideutigkeit, als Grausamkeit verstanden werden kann.
Als Impro-Spieler haben wir gegenüber anderen Bühnenschauspielern den großen Vorteil, dass wir improvisieren können. Das heißt, wir können Unvorhergesehenes umdeuten, neu interpretieren, als Inspiration werten. Die Technik, die uns das ermöglicht, ist das Akzeptieren.
Natürlich sollte man eine Show technisch sorgfältig vorbereiten. Aber wenn die Show läuft, dann läuft sie, dann nimmt sie ihre eigene Dynamik an, dann stellen wir uns in ihren Dienst. Warum soll man mit einem kaputten Scheinwerfer hadern, der jetzt, in diesem Moment, da die Szene läuft, nicht mehr zu reparieren ist? Also nehmen wir sein Erlöschen als Inspiration.32
32 Vor Jahren trat ich in einer gemischten Show auf, bei der sowohl lesende Autoren als auch Impro-Spieler auf der Bühne standen. Plötzlich gab es einen kompletten Stromausfall. Dreihundert...