Kolumne
Das politische Wohlgefühl
Erschienen in: Theater der Zeit: Jürgen Holtz – Schauspieler und Scharfdenker (04/2015)
Assoziationen: Debatte
Einmal ging ich in eine Kneipe. Einer war schon da. Nach mir kam ein anderer. Der setzte sich zu dem einen. Habe die Ehre!, sagte der eine. Lang nicht gesehen. Wie geht’s dir? Sagte der andere: Mir geht’s gut, i bin verheirat’.
Es gibt mehrere mögliche Gründe für seine Hochwetterlage (ich geh mal davon aus, dass er mit einer Frau verheiratet war): Kann sein, dass die Frau gut kochte und ihm die Wohnung putzte und die Wäsche wusch. Kann sein, dass sie einen Batzen Geld mit in die Ehe gebracht hatte. Kann sein, er hat den von ihm bis zur Eheschließung nicht potenziell regelmäßig vollziehbaren Geschlechtsverkehr gemeint. Vielleicht war er auch einfach nur glücklich mit seiner Frau. Vielleicht weil er sie liebte. Oder sie ihn. Oder vielleicht, weil sie immer einer Meinung waren. Er schätzte also vielleicht den Konsens, der mit der Frau, und trotz dieser, ins Haus eingekehrt war – das politische Wohlgefühl im Kleinen, das Harmoniebedürfnis der Sanftmütigen, Ängstlichen und Hilflosen.
Im Großen ist Konsens das Harmoniebedürfnis der Regierenden den Regierten gegenüber zwecks problemfreier Durchsetzung ihres politischen Willens. Einer Regierung, die es schafft, einen möglichst breiten Konsens in der Bevölkerung herzustellen, geht es gut. Die kann ihr Zeug...