„Entschwundene Orte, vergessene Namen, verblassende Leidenschaften – ich habe versucht, sie an unseren Tisch zu holen, bevor es kalt wird in Deutschland“, schreibt Jutta Voigt im Vorwort ihres Buches, und man fragt sich, wo dieser Tisch heute stehen mag, nachdem Bars wie das Espresso, die Möwe und selbst der Lampion seit Langem verschwunden sind. Vielleicht in der Kantine der Volksbühne Berlin, dem letzten Keller der Boheme Ost, der noch nicht totglanzsaniert ist.
Theater spielen eine wesentliche Rolle in dieser unterhaltsamen Sub-Kulturgeschichte eines verschwundenen Landes. Vor allem das Berliner Ensemble, in dessen Nähe die legendären Bars und Boutiquen zwischen Friedrichstraße und Chausseestraße lagen, vom Trichter bis zum Café Esterhazy. Jutta Voigt beschwört die Erinnerungen an deren berühmte Gäste und Wirte, an Schauspieler und Regisseure, Tänzerinnen und Dichter, Maler und Fotografinnen, von denen heute viele unter dem begehrten Rasen des Dorotheenstädtischen Friedhofs liegen. Ihre Porträts und Momentaufnahmen verdichten über 40 Jahre Kunst- und Theatergeschichte zu einer langen, rotweinseligen Premierenfeier, auf die vor allem in den siebziger und achtziger Jahren zunehmend verkatertes Erwachen folgte. Auch das verschweigt die Autorin nicht, die seit jungen Jahren als Journalistin des Sonntag in der Szene zu Hause war: Es gab bald mehr Sex und Suff als Erotik...