Sprechmelodie
von Viola Schmidt
Erschienen in: Mit den Ohren sehen – Die Methode des gestischen Sprechens an der Hochschule für Schauspielkunst Ernst Busch Berlin (04/2019)
Die Sprechmelodie bewegt sich während des Sprechens. Monotone Melodieverläufe nehmen wir als Leiern wahr. Dabei kann es sich um Sprechgewohnheiten handeln oder darum, dass Inhalte ohne oder mit zu kleinen Motiven und Absichten vermittelt werden. Bewegt sich die Sprechmelodie übermäßig, gibt es ein dauerndes Auf und Ab, fehlt die Konzentration auf das Wesentliche. Es wird zwar deutlich, dass die Sprecher motiviert sind, aber welche konkrete Absicht sie haben, bleibt meist vage. Alles ist wichtig und damit auch beliebig. Zur Zeichnung von Figurenverhalten kann diese Art der Melodisierung wie auch das monotone Sprechen aber sehr wohl als sprecherisches Mittel taugen. Wir sehen, es geht weniger um richtig oder falsch als vielmehr darum, sprecherische Mittel schauspielerisch-gestisch einsetzen zu können. Damit das gelingt, müssen wir sie zunächst als solche wahrnehmen, sie probieren und ihre Wirkungen erleben. Die Melodieführung am Ende eines Satzes wird als Kadenz bezeichnet. In Aussagesätzen, die etwas feststellen, in rhetorischen Fragen, deren Antwort bereits bekannt ist, und in W-Fragen senken wir die Stimme am Ende des Satzes. Diese fallende Kadenz wird als Punktsprechen bezeichnet. Reine Feststellungen werden auf der Bühne nur selten getroffen. Im Gegensatz zu einem Vortrag oder einer Vorlesung geht es vielmehr darum, auf der Beziehungsebene zu handeln,...