20.2.1 Regelknappheit
Erschienen in: Improvisationstheater – Die Grundlagen (10/2018)
Die besten Impro-Spiele sind also in ihrer Grenzziehung so konzipiert, dass sie unsere Kreativität freisetzen.108 Sie stellen sich uns in den Weg, damit wir uns selbst nicht im Weg stehen. Sie führen unseren Geist und unseren Körper auf Pfade, die diese zuvor nicht betreten haben. Sie lassen uns als Team etwas erschaffen, das uns alleine nie eingefallen wäre, ja, das größer ist als die Summe seiner Teile. Für uns als Impro-Spieler bedeutet das, dass wir die durch die Spielregeln gesetzten Grenzen nicht als Willkürlichkeit auffassen, sondern als freudig zu meisternde Beschränkung. (Oder hat sich je ein Fußballspieler darüber beschwert, dass er den Ball nicht einfach mit den Händen werfen darf, was doch bisweilen viel bequemer wäre?)
Das bedeutet aber nicht, dass eine Szene umso besser wäre, je mehr Grenzen gezogen würden. Spiele, die mit Regeln überfrachtet sind, verlieren ihren Reiz sowohl für die Spieler als auch fürs Publikum. Man erlebt solche Spiele bisweilen in Theatersport-Shows, in denen die Spieler und Teams darauf hoffen, dass sie den Unterhaltungswert durch immer krassere Herausforderungen steigern können. Da werden dann Arm-Reden mit SynchronisationsSpielen kombiniert, Lyrik-Impro mit Kauderwelsch, OpernGesang mit dem Spiel „Sitzen/Stehen/Liegen“. Sicherlich ist das hier und da allein wegen des Trash-Faktors unterhaltsam,...