„Die Wahrheit ist konkret“, lautete ein Postulat, das in großen Lettern über Brechts Schreibtisch im dänischen Exil prangte. 2012 dient es als Titelgeber einer Marathonveranstaltung des steirischen herbstes mit mehr als 200 internationalen Künstlern, die das gastgebende Graz in einen Vorort von Cosmopolis verwandeln. Deren artistische Strategien will dieses opulent ausgestattete Handbuch auf über 300 Seiten mit den Kontexten realer Politik konfrontieren. Reale Politik, das meint das Ineinander künstlerischer und politischer Praktiken angesichts von Vorgängen wie der tunesischen Revolution, dem ägyptischen Frühling, Erhebungen in Griechenland und Spanien, der Occupy-Bewegung, den Tumulten in der Türkei oder in Brasilien. Revolten, die – das wissen wir heute – erweisen, wie wenig wandelbar und zähflüssig sich die Verhältnisse auch nach einem digitalen Feinschnitt verhalten.
„Die Wahrheit ist konkret“ – eine tückische Sentenz, die in der Hegel’schen Dialektik wurzelt und ihre Pointe aus dem Sachverhalt bezieht, dass die Wahrheit primär allgemeiner Natur bzw. verallgemeinerbar ist. Wie sich die allgemeinen Gesetzmäßigkeiten auf die besonderen Umstände anwenden lassen, soll die Köpfe im 19. und 20. Jahrhundert zum Rauchen bringen. Was können Politik und Kunst im postutopischen Raum voneinander lernen? Diese Frage ist das signifikante Thema dieses Bandes. Die Hervorhebung des Konkreten als jene Kontaktfläche von Realität und...