Thema
Zwölf Studenten
Über das Jahr 1968 im Osten
Erschienen in: Theater der Zeit: Kunst gegen Kohle – Ruhrfestspiele Recklinghausen. Intendant Frank Hoffmann (05/2018)
1968, das Jahr des Schreckens für den, der im Osten lebte. Ich lebte im Osten. Ich war 19.
Es war nicht Mai ‘68 wie im Westen – Beginn und Aufbruch –, es war der 21. August 1968, Beginn des letzten Kapitels der „jahrelang anhaltenden Bartholomäusnacht ohne Ende“, das Ende der großen Illusionen, denen so viele erlegen waren und deren letzte der Prager Frühling war.
Er begann schon 1963 mit der Kafka-Konferenz. Ich war 14 Jahre alt und hatte noch nicht Kafka gelesen, aber verstanden, dass es eine Literatur gab, derentwegen ganze Konferenzen abgehalten werden mussten, weil es offensichtlich einen Widerspruch gab zwischen der Bedeutung dieses Werkes und dem verordneten sozialistischen Realismus mit seinem immer positiven sozialistischen Menschenbild, das in dieser Literatur eben nicht vorkam. Es begann also mit Kafka und endete mit dem Einmarsch der Ostblock-Armeen in Prag, „um den gesunden Kräften in der Tschechoslowakei militärische Hilfe zu leisten“. So stand es im Neuen Deutschland. Kafka war ungesund, und im Felde der Kultur wuchs in diesen sechziger Jahren so vieles, das „ungesund“ und „unsauber“ war, und deshalb mussten Säuberungen stattfinden, wie das 11. Plenum des ZK der SED, ein Kulturplenum, auch das „Kahlschlagplenum“ genannt, da wurde die Kultur von...