Wie politisch ist postdramatisches Theater?
Warum das Politische im Theater nur die Unterbrechung des Politischen sein kann
Erschienen in: Recherchen 12: Das Politische Schreiben – Essays zu Theatertexten (10/2012)
Warum das Politische im Theater nur die Unterbrechung des Politischen sein kann
I
Die Frage nach dem Politischen im Theater kann mit Überlegungen einsetzen, die gerade deshalb leicht aus dem Blick geraten, weil sie allzu evident erscheinen können.
Zunächst und vor allem ist Theater eine besondere Art des menschlichen Verhaltens – Vorspielen, Zuschauen –, sodann eine Situation – eine Art von Versammlung – und dann erst eine Kunst und endlich ein Kunstinstitut. Eine Beschreibung seiner Ästhetik wie seiner Politik kann sich darum keinesfalls darauf beschränken, das theatral Dargestellte zu untersuchen, sondern muss Theater als Verhalten und als Situation auf das Dargestellte beziehen.
Theater ist als Verhalten und als besondere, zumal gemeinschaftliche Situation uralt, anthropologisch solide verankert und wird demnach wohl auch in überschaubarer Zukunft weiterexistieren – allerdings ganz unabhängig vom Bestand der heute bekannten Theaterinstitutionen. Die Probleme der gegenwärtig vorherrschenden Institutionalisierung des Theaters spielen für meine Fragestellung deshalb keine Rolle. Ebenso wenig kann es darum gehen, bestimmte künstlerische Antworten zu propagieren. Theorie hat keine Vor-Schriften (Programme) zu geben, auch nicht das heute beliebte Fragespiel mitzuspielen, wohin in Zukunft das Theater gehen werde. Theorie soll vielmehr dem, was künstlerisch veranstaltet (manchmal auch verunstaltet) wird, nachfolgen mit Versuchen, es zu reflektieren und...