5. Probehandeln als politischer Vorgang
von Wolfgang Engler
Erschienen in: Authentizität! – Von Exzentrikern, Dealern und Spielverderbern (03/2017)
Handelnd verwirklichen sich Menschen. Sie verlassen ihre Ruhe, treten aus sich heraus, werden sich und andern kenntlich. So sagt es der Begriff. Und die Wirklichkeit, in der seine Bestimmungen sich bewähren, bewahrheiten müssen? Sie überstimmt den Begriff, erkennt auf Handlungsnot. Die Dramen des weltlichen Handelns spielen auf verschiedenen Feldern.
In systemischer Hinsicht wird Handeln formalisiert, operationalisiert, vom Handelnden sowie von den Handlungsfolgen abgenabelt, zum Freiläufer, der die Umwelt belastet, vermüllt, beschädigt. Handeln vermisst die Aufsicht durch ein Subjekt, die Rückkopplung seitens Betroffener, Lernanstöße. Ohne Korrektive und also enthemmt driftet es im sozialen Raum nach den Maßgaben der Systemadministratoren.
Lebensweltliches Handeln vollzieht sich unter dem Klassenschranken voraussetzenden, reproduzierenden, verschleiernden Optionsdiktat: Wähle, wozu du erwählt bist! Entscheidungspfade, mit Prüfungen gepflastert, sortieren Habenichtse zeitig aus. Die im Rennen Verbleibenden konkurrieren um Kompetenzen, Prädikate, die genau dadurch an Wert verlieren, dass die Mitläufer, gemessen an den zu vergebenden Chancen, trotz aller Vorausscheide stets zu viele sind. Zwischen Investment und Ertrag tut sich ein Abgrund auf, über den keine sichere Brücke führt. Wäre ein zweiter Abschluss im Ausland der Karriere förderlich oder handelt man sich dadurch Nachteile gegenüber Sesshafteren ein, die vor Ort ihre sozialen Kontakte pflegen? Niemand weiß das mit Bestimmtheit, und so zögern...