Produktive Jahre und politische Konflikte
von Bruno Flierl
Erschienen in: Selbstbehauptung – Leben in drei Gesellschaften (05/2015)
Die gesellschaftspolitischen Voraussetzungen und damit neue Hoffnungen für künftige produktive Jahre in der DDR hatten sich bereits im Februar 1956 angekündigt. Sie wurden ausgelöst durch die von Nikita Sergejewitsch Chruschtschow in seiner Rede auf dem XX. Parteitag der KPdSU in Moskau vorgetragene vernichtende Kritik an der Politik und den Verbrechen Stalins, am Stalinismus generell, und der daraus abgeleiteten Perspektive einer demokratischen Entwicklung zum Sozialismus. Renate und ich hörten von dieser sensationellen Rede in den Abendnachrichten des DDR-Rundfunks im Speisesaal eines FDGB-Erholungsheims in Oberhof, wo wir zum Skiurlaub waren. Während für die meisten Urlauber, pflichtbewusste und parteitreue Werktätige, offenbar eine Welt zusammenbrach, war uns zum Jubeln zumute. Schnell verließen wir den Saal und umarmten uns – politisch überaus glücklich – in unserem Zimmer. Leider war es uns nicht vergönnt, das in den folgenden zwei Jahren wie in allen europäischen sozialistischen Staaten so auch in der DDR heraufkommende „Tauwetter“ im Bereich der Kultur gemeinsam zu genießen. Da lebte Renate schon nicht mehr. So blieb ihr doch wenigstens das Erlebnis der danach wieder einsetzenden „Eiszeit“ erspart.
Für Architekten in der DDR setzte das Auftauen bisher gültiger Dogmen in der Architektur schon früher ein, nachdem Chruschtschow 1954 auf der Allunionsbaukonferenz in Moskau die mit...