Theater der Zeit

Theater als Unternehmen privater und öffentlicher Natur

von Christoph Nix

Erschienen in: Theaterrecht – Handbuch für Theatermacher (05/2019)

Assoziationen: Recht

Anzeige

Anzeige

Was ist eine „juristische Person“?

Welche Rechtsformen kann ein Theater haben?

Und was bedeutet das für mich als Beschäftigter?

Privattheater sind Einrichtungen, die mit eigener Spielstätte und Berufsschauspielern arbeiten. Sie sind in den Händen von Privatpersonen oder juristischen Personen, also Personenvereinigungen, deren Gesellschafter oder Mitglieder Privatpersonen sind. So kann ein Theater als GmbH betrieben werden und sowohl ein Privat- als auch ein öffentliches Theater sein, je nachdem, wer die Gesellschafter oder wie hoch deren Anteile sind.

Ungefähr zweihundert Privattheater erhielten in den Jahren 2016/17 in Deutschland knapp achtzig Millionen Euro an Zuwendungen aus öffentlichen Mitteln. In diese Kategorie fallen ebenso hochsubventionierte Theater wie das Berliner Ensemble wie niedrig subventionierte Theater, etwa die Bühne Pilkentafel in Flensburg. Andere Häuser wiederum werden gar nicht aufgeführt, je nachdem, wer in die Statistik des Deutschen Bühnenvereins aufgenommen wurde. Die meisten Konzertagenturen, wie die Stage Entertainment GmbH mit 1700 Mitarbeitern, werden privatrechtlich betrieben und auch als Aktiengesellschaft geführt. Diese Organisation beschäftigt mit eigenen Arbeitsverträgen ihre Mitarbeiter, ohne tarifvertraglich gebunden zu sein.

Die öffentlichen Theaterunternehmen sind stehende Bühnen mit festen Ensembles. Deren rechtliche und wirtschaftliche Träger sind Bundesländer, Gemeinden oder Gemeindeverbände, unabhängig davon, in welcher öffentlichen oder privaten Rechtsform sie betrieben werden. Unser Recht unterscheidet zunächst einmal zwischen natürlichen Personen (das können nur einzelne Menschen sein) und juristischen Personen (Gruppen von Menschen), die aber eine eigene Rechtspersönlichkeit entwickeln, also als Gruppe handlungsfähig oder z. B. klagefähig sind. Hier einige Beispiele aufgeteilt nach privatem und öffentlichem Recht:

Juristische Personen

Regiebetrieb: In der Vergangenheit handelte es sich meist um sogenannte Regiebetriebe, wobei der Begriff der Regie hier auf die Spitze einer Kommunalverwaltung abstellt. Sie sind dann Bestandteil der öffentlichen Verwaltung oder, um es banaler zu sagen, ein Amt der Stadt. Diese Organisationsform ist für das Theater überholt, wie ich aus eigener Erfahrung sagen kann. In die einzelnen Bereiche des Theaters und seine Arbeitsorganisation regieren unentwegt andere Abteilungen hinein, wenn es um Bauverwaltung, die Einstellung von Auszubildenden, die rechnergestützten Netzwerke und die Werbung geht. Die Kassenorganisation wird oft von der Verwaltung geregelt, ohne dass ein künstlerisches Marketing vorhanden wäre. Heute wird nur noch weniger als ein Viertel der Theater als Regiebetrieb geführt. Regiebetriebe haben keine eigene Rechtspersönlichkeit, ihre Haushaltsführung und Vermögen unterliegen dem Stadtkämmerer. Eine zumindest praktikable Alternative ist es, eine interne Dienstvereinbarung zu treffen, die dem Theater ein in sich deckungsfähiges Budget überträgt. Dann können Rücklagen gebildet werden oder z. B. Kosten aus Gästeetats mit Fortbildungskosten ausgeglichen werden. Alltagssprachlich wird dies auch „Budgetierungsvereinbarung“ genannt.

Im Dienstvertrag mit dem Intendanten regelt eine Kommune, wie viel Einfluss sie nehmen will auf die künstlerischen Entscheidungen der Intendanz. So gibt es Modelle mit einer Doppelspitze des Theaters (Intendant und geschäftsführender Direktor) oder mit einem mehrköpfigen künstlerischen Direktorium in einem Mehrspartenhaus, Alleinverantwortlichkeit des Intendanten oder stärkerer Abhängigkeit von Stadtverwaltung und Gemeinderat. Die Gründung eines Regiebetriebs unterliegt keinem konkreten Prozedere. Verwaltungsintern wird geregelt, wie hoch die Haushaltsansätze sein sollen und wie viele Positionen der Stellenplan umfasst. Das oberste Beschlussorgan ist der Stadt- oder Gemeinderat, letztlich also der Ober- oder Kulturbürgermeister oder Kulturreferent (in Bayern und NRW), je nachdem, wie sie sich in den Bundesländern bezeichnen. Oft ist der Kulturausschuss (ein Ausschuss, der aus allen Parteimitgliedern des Gemeinderates besteht) das Beratungsgremium und der Leiter des Theaters oder seine Spartenleiter nehmen an den Sitzungen teil.

Eigenbetrieb: Selbstständiger, aber im Grunde auch nur eine Modifikation des Regiebetriebes ist der Eigenbetrieb. Der Eigenbetrieb unterscheidet sich vom Regiebetrieb dadurch, dass er eine eigene Organisationsstruktur aufweist und eine eigene Haushaltsführung haben kann. In jedem Falle richtet sich seine Buchführung nach den Maximen einer kaufmännischen Buchhaltung. Diese ist aber mittlerweile auch in den Haushaltssatzungen der Städte und Gemeinden gängige Praxis. Es gibt einen spielzeitbezogenen Wirtschaftsplan und als Kontrollorgan einen Werk- oder Theaterausschuss. Dieser Ausschuss wiederum ist oft identisch mit dem Kulturausschuss, kann aber auch eigens zusammengesetzt werden und wird ebenfalls vom Stadt- oder Gemeinderat gewählt.

Hier bietet sich ein praktischer Anknüpfungspunkt: Junge Schauspieler, Tänzer, Veranstaltungstechniker etc. sollten in jedem Fall versuchen, politisch durchzusetzen, im Theaterausschuss vertreten zu sein. Das könnten z. B. die Sprecher des Ensembles sein. Man kann hier die Kommunalpolitiker beim Wort nehmen und prüfen, ob sie Demokratie und Partizipation ernst nehmen. Die Theaterleitung, auch Werkleitung genannt, kann aus einem, aber auch aus mehreren Mitgliedern bestehen (Intendanz, Verwaltung/ Technik/Spartenleiter) oder aus einem Schauspielkollektiv. Es muss eine Betriebssatzung erstellt werden, in der dann der Umgang mit dem Vermögen, die Wirtschaftsführung und die innere Organisation geklärt werden.

Gesellschaft mit beschränkter Haftung (GmbH): Nach der Wiedervereinigung Deutschlands, der sogenannten Wende, galt die GmbH innerhalb und außerhalb des Kulturbetriebes als die gesellschaftsrechtliche Wunderwaffe. Das war aber gar nicht ungefährlich: Zwar wird die GmbH als die Kapitalgesellschaft der kleinen Leute bezeichnet, sie ist aber auch relativ leicht zu liquidieren. Insoweit wurden viele Theater in den neuen Bundesländern in die Rechtsform der GmbH umgewandelt. Sie sollten mehr Flexibilität haben, mehrere Träger sollten angeregt werden, Kommunaltheater zu unterstützen, handelsrechtliche Beziehungen hielten Einzug in die Theaterorganisation, aber eben auch der Gesellschaftsvertrag, der je nach Inhalt und Form die Möglichkeit zuließ, das Theater zu liquidieren. So entstanden Gebilde wie die Theater Nordhausen/Loh Orchester Sondershausen GmbH mit bis zu sieben Gesellschaftern und damit vielen Partikularinteressen, in anderen Städten aber wurden die Theater relativ bald aufgelöst, so in Eisenach, Eisfeld, Gotha, Quedlinburg, Brandenburg und Frankfurt/Oder. Großartige Ensembles zerfielen ohne größere Gegenwehr.

Die Organisation und die Rechtsverhältnisse der GmbH werden durch den Gesellschaftsvertrag festgeschrieben. Dieser ist die Satzung des Unternehmens. Gesetzlich vorgeschriebene Organe sind ein oder mehrere Geschäftsführer und die Gesellschafterversammlung. In der Praxis sind im Theater mehr Modelle möglich. Es gibt Intendanten, die zugleich alleinige Geschäftsführer sind, und es gibt Modelle, nach denen Intendant und Verwaltungsdirektor beide gemeinsam Geschäftsführer sind. In Ausnahmefällen sind auch nur die Verbands- oder die Verwaltungsdirektoren die alleinigen Geschäftsführer. Ein solch autokratisches Modell gab es beispielsweise viele Jahre am Theater im sächsischen Freiberg. Beschränkungen der Vertretungsmacht haben keine rechtliche Wirkung gegenüber dritten Personen. Dies ergibt sich aus § 37 Abs. 2 GmbH-Gesetz. Sie sind nur im Innenverhältnis beachtlich. So kann zwar der Intendant z. B. Kaufverträge alleine abschließen oder auch der geschäftsführende Direktor. Im Innenverhältnis jedoch haftet der eine gegenüber dem anderen. Im Innenverhältnis kann die Gesellschaft für die Geschäftsführung selbstständige Regelungen in der Praxis einführen, sodass die Befugnisse der Geschäftsführung weitgehend den Regeln der Eigenbetriebe angeglichen werden. Dem Aufsichtsrat (der GmbH) bleiben dann Aufgaben vorbehalten, wie sie ansonsten einem Werkausschuss beim Eigenbetrieb eingeräumt werden.

Andere Rechtsformen: Auch andere Rechtsformen sind möglich. Es gibt beispielsweise die Anstalt des öffentlichen Rechts. Diese ist eine eigene juristische Person. Die öffentlichen Radio- und Rundfunksender sind in dieser Rechtsform organisiert. Die Anstalt des öffentlichen Rechts ist auch Anstellungsträger, will sagen: Sie ist selbstständiger Arbeitgeber. Sie besteht meist aus einem Vorstand und dem Verwaltungs- oder Rundfunkrat. Im Vorstand sind die Intendanz und die Verwaltungsdirektion. Im Rundfunkrat sind Vertreter politischer und gesellschaftlicher Gruppen und die Kirchen. In der Schweiz werden viele Theater auch von Genossenschaften geführt. Zu den Genossen gehören die großen Kommunalverbände oder die Kantone, manchmal sind auch private Personen oder private Firmen beteiligt, die natürlich an den Willensbildungsprozessen zu beteiligen sind. Weiterhin sind kommunale Zweckverbände denkbar, dies sind Zusammenschlüsse von verschiedenen Landkreisen und Städten. Im Grunde sind es additive Arbeitsgemeinschaften, die sich zusammenschließen, um ein Theater oder eine andere Kultureinrichtung zu unterhalten. Die Stiftung kann ebenfalls als Trägerin eines Theaters fungieren.

Es bietet sich bei kleineren Theatern und bei freien Gruppen auch die BGB-Gesellschaft an, die aber in ihrer Haftung nicht begrenzt ist, sodass die einzelnen Personen mit ihrem privaten Vermögen haften. Sie sind natürlich die Organisationsform des Spontanen.

In der Praxis wird sich mit großer Wahrscheinlichkeit immer mehr die GmbH durchsetzen. Dieser Prozess wird allerdings von Personal- oder Organisationsamtsleitern verhindert, weil diese Personen den eigenen Einfluss auf Kultureinrichtungen nicht verlieren wollen. Sie wollen reinregieren und stehen künstlerischen Leitern skeptisch gegenüber, weil Künstler per se als unberechenbar gelten. Kommt es aber zu einer GmbH-Gründung, ist es notwendig, zu Beginn des Geschäftsjahres einen Wirtschaftsplan aufzustellen – mit Erfolgsplan, Vermögens- und Finanzplanung, Investitionsprogramm und Stellenplan sowie einer Stellenübersicht. Der Jahresabschluss ist nach den handels- und gesellschaftsrechtlichen Vorschriften zu erstellen: Gewinn-und-Verlust-Rechnung mit Lagebericht sind dringend erforderlich. Das ist kein Hexenwerk. Die Basis für kleinere Theatergruppen und deren strategische Ausrichtungen ist zumindest die Beherrschung von Excel-Tabellen.

Literaturtipp:

Wolfram Waldner und Erich Wölfel: So gründe und führe ich eine GmbH. München 2017.

teilen:

Assoziationen

Neuerscheinungen im Verlag

Charly Hübner Buch backstage
Cover XYZ Jahrbuch 2023
Recherchen 162 "WAR SCHÖN. KANN WEG …"
"Scène 23"
"Zwischen Zwingli und Zukunft"
Recherchen 165 "#CoronaTheater"
"Die Passion hinter dem Spiel"
Arbeitsbuch 31 "Circus in flux"
"Passion Play Oberammergau 2022"
Recherchen 163 "Der Faden der Ariadne und das Netz von Mahagonny  im Spiegel von Mythos und Religion"
Passionsspiele Oberammergau 2022
"Theater der Vereinnahmung"
Recherchen 156 "Ästhetiken der Intervention"
"Pledge and Play"