Im Mai 2013 gingen Demonstranten gegen ein von Ministerpräsident Recep Tayyip Erdogan initiiertes Bauprojekt auf dem Gelände des Istanbuler Gezi-Parks auf die Straße. Gewaltsame Polizeieinsätze führten dazu, dass sich der Protest ausweitete: zum grundsätzlichen Kampf für Freiheit und Demokratie, gegen vorherrschende Korruption und Zensur durch die Regierung. Auch das türkische Theater sieht sich immer wieder staatlichen Zensurmaßnahmen ausgesetzt. Juliane Zellner weiß in ihrer Studie „Theaterszene Istanbul. Türkisches Theater im urbanen Raum“ Beispiele zu nennen (Aufführungsverbot für Stücke von Mihran Tomasyan und Özen Yula), um das heikle Verhältnis von freier Kunstproduktion und politischer Einflussnahme in der Türkei hervorzuheben, wenngleich ihr Fokus ein anderer ist: Ihr Ansatz besteht darin, theatergeschichtliche und -ästhetische Aspekte mit sozialwissenschaftlichen, stadtplanerischen Konzepten zu vermengen. Bedauerlich jedoch, dass ihre Studien nicht über das Jahr 2011 hinausreichen und die Verwendung des Quellenmaterials (nicht abgedruckte Interviews) wenig stichhaltig erscheint.
Referierend wird dargestellt, dass die Türkei aufgrund der jahrhundertelangen Wirksamkeit des islamischen Abbildungsverbots – mit Ausnahme des Schattentheaters Karagöz und des Improvisationstheaters Ortaoyunu – keine eigene Theaterkultur hervorgebracht habe. Erst Mitte des 19. Jahrhunderts wurden Theatergebäude nach europäischem Vorbild errichtet, importierte Theaterstücke und -formen durchgesetzt. Die Kopie des westlichen Stadt- und Staatstheatermodells als „Über- bleibsel des Modernisierungsprozesses der Türkei“ liefere bis...