In memoriam Hanns Eisler
von Georg Lukács
Erschienen in: Georg Lukács – Texte zum Theater (06/2021)
Ich kann mich an den Anfang unserer Bekanntschaft nicht mehr erinnern; sicher fällt er in die Zeit meiner Wiener Emigration in den zwanziger Jahren. Jedenfalls verband uns damals und noch lange Zeit eine persönliche Sympathie, die, vor allem wegen der seltenen Begegnungen und wegen der Verschiedenheit unserer Betätigungsfelder, sich noch nicht zur Freundschaft kristallisierte. Die erste öffentliche Begegnung sah aus, als ob eine scharfe theoretische Gegnerschaft zwischen uns bestünde. Es war die Zeit der sogenannten Expressionismusdebatte (um 1938). Ich griff einen Artikel von Eisler und Bloch scharf an; Eisler erwiderte nicht minder heftig. Von einer heutigen Perspektive aus muss man aber die innere Einheitlichkeit beider »Fronten« dieser Diskussion sehr vorsichtig einschätzen; sie waren bei weitem nicht so homogen, wie es scheinen konnte. Die Kritiker des Expressionismus als eines unentbehrlichen und fruchtbaren Erbes der modernen Literatur gingen von äußerst verschiedenen, ja entgegengesetzten Positionen aus. Es gab einerseits viele, die im Namen des damals höchst ärarischen, schematisch-naturalistischen Durchschnitts des sozialistischen Realismus, der zumeist, auch nicht zu seinem künstlerischen Vorteil, mit etwas roter Romantik garniert war, jede Neuerung in der Literatur als »Formalismus« a priori ablehnten. Es gab andererseits solche – zu ihnen gehörte auch ich – die in der sozialistischen Literatur einem...